Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
Thermo-Unterwäsche zu fassen und verdrehte sie.
Ihm blieb die Luft weg. Sein Herz begann zu hämmern und ihm wurde schwarz vor Augen, zuerst vor Angst und dann aus Atemnot. Zappelnd wie ein Fisch, der angebissen hatte und nicht mehr von der Leine kam, warf er die Arme hoch, doch die Thermowäsche war so eng, dass er keinen Finger zwischen Haut und Seide brachte. Sein Flanellhemd riss, Knöpfe sprangen ab und prasselten auf den Boden wie Trockenbohnen. Doch das feste Seidengewebe schnürte sich immer enger und straffer um seinen Hals. Nun wurde er auch noch geschüttelt wie eine Puppe. Ganz schwach nahm Chris das dumpfe Pochen und Scharren seiner Stiefel wahr, die über den Boden rutschten. Seine Knie gaben nach. Er merkte, wie er fiel, mit der Stirn gegen den Tisch krachte, als er vornüber stürzte. Irgendetwas – eine ganze Menge sogar – kippte herunter und zerbrach. Teller, ein Glas … Chris wusste es nicht. Von der Taille abwärts lag er flach auf dem Boden, aber sein Oberkörper hing noch in der Luft. Der Holzboden war gut fünfzehn Zentimeter von seiner Nase entfernt, weil ihn der Veränderte mit dieser seidenen Kragenschlinge im Nacken festhielt und seinen Körper der Schwerkraft überließ. Der Veränderte wollte, dass Chris ganz allmählich von seinem eigenen Gewicht erdrosselt wurde.
Was dann geschah, war purer Zufall.
Chris’ rechte Hand bekam etwas zu fassen. Es war scharf. Und es war seine letzte Chance.
Chris umklammerte die dolchartige Scherbe und stieß zu.
6
»N ein!« Alex flitzte an Bert vorbei und sprang zu Wolf, um ihn zu stützen, während Darth und Marley bereits die Tür zuwarfen. Wolfs Gesicht, seine Hände und das um den Hals geknotete Wolfsfell waren blutverschmiert, aus dem bauchigen Sack über seiner Schulter tropfte es.
Nein. Eine Sekunde – einen einzigen erschrockenen Augenblick lang – setzte ihr dummes, dummes Herz aus. Nein, du darfst nicht sterben, Wolf, du darfst nicht sterben!
Dann merkte sie, dass es nicht sein eigenes Blut war.
Ernies Gesicht war grau, seine Lippen fahl. Die kleinen bleigrauen Schweinsäuglein neben der Schweinsnase rollten in den Höhlen hin und her, die Hände hatte er gegen seinen triefnassen Bauch gepresst. Als Wolf ihm die Jacke aufriss, erkannte sie an dem Eisengestank und der glitschigen Masse gleich, wie schlimm es um ihn stand.
Aus Ernies Bauch quoll nicht nur Blut. Manches war schon zu einer geleeartigen Schmiere geronnen, doch das meiste war nur klebrig oder sogar ganz frisch. Denn Ernies Unterleib war böse zerfetzt, tiefe klaffende Wunden zogen sich gezackt von seinem linken Brustkorb nach unten, die Risse gingen durch Haut, Bauchfett und Muskelgewebe. Aus dreien dieser Risse traten bläuliche Eingeweide hervor. Die nach Fäkalien stinkende Wolke ließ Alex würgen, und sie sah, dass sich ein aalartiger Darmtrakt bereits zu blähen begann. In ihrem eigenen Bauch arbeitete sich rülpsend ein Knoten zur Kehle hoch.
Wahrscheinlich etwas Hakenartiges hineingerammt und dann herausgerissen. Vermutlich mit Zähnen und Klauen, was hieß, dass Wolfs Bande in eine Auseinandersetzung mit der Meute geraten war, die sich an ihre Fersen geheftet hatte. Alex beobachtete, wie erneut Blut in einer frischen Fontäne herausbrach. Da hatte es garantiert eine Arterie erwischt. Nun, eine mögliche Infektion wegen der zerrissenen Gedärme brauchte der Junge nicht zu befürchten. Sein Bauchraum floss inzwischen über und seine Lippen wurden kalkweiß, während die Arterien sein Blut hinauspumpten. Ein kalter Schweißfilm überzog Hals und Gesicht, die Schockwirkung setzte ein und der Junge fing an zu zittern.
Alex’ Blick wanderte zu dem bauchigen, blutgetränkten Sack. Dem Geruch nach war der Körper da drin diesmal ein Mann, und außerdem gab es viel Blut. Aber keine Innereien. Komisch. Aus Erfahrung wusste sie, dass Wolf und seine Bande Leber mochten, Herz liebten und Nieren nicht verachteten, nur aus Gekröse machten sie sich nichts. Vor allem aber zerlegte Wolf niemals ein Opfer und genehmigte sich nie auch nur einen Bissen, bevor er und seine Bande wieder in Sicherheit waren. Alex wusste, warum. In einer anderen Zeit und in einem anderen Leben hatte auch ihr Dad die Essensvorräte hoch über dem Boden in einem bärensicheren Beutel aufbewahrt, so wie Wolf und seine Bande ihre Reserven in diesem Packsack sicherten. Wenn man unterwegs war, wollte man sich nicht von ungebetenen Besuchern den Proviant klauen lassen. (Warum nicht mehr Veränderte
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