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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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hektische Zucken in Wolfs Fingern verriet ihr, dass er sie nicht mehr bis zum nächsten Versuch würde halten können. Das war’s. Der Luftzug wehte ihr durchs Haar, rauschte in ihren Ohren. Unversehens tauchte die Felswand wieder vor ihr auf, doch sie hatte sich bereits eine Stelle ausgeguckt: auf zehn Uhr, ein länglicher, leicht gebogener Schatten, ein umgekehrtes steinernes Grinsen. Im allerletzten Moment, gerade bevor sie mit dem Hintern gegen die Wand schlug, streckte sie die Hand aus und bekam mit gekrümmten Fingern den Felsgrat zu fassen, spürte die Kante unter den Knöcheln …
    Wolf hatte offenbar geahnt, dass jetzt der Moment gekommen war. Um Alex nicht versehentlich von der Felswand wegzuziehen, verlagerte er abrupt sein Gewicht und zog sich ebenfalls an die Wand heran, wobei er ihr Handgelenk weiter festhielt. Für einen Außenstehenden musste es aussehen, als versuchten sie sich in einer seltsamen Variante von Armdrücken. Doch in diesem Augenblick an der Felswand waren sie eins, ein eingeschworenes Team mit einem gemeinsamen Ziel. Alex presste sich wie eine dreibeinige Fliege mit einer Hand und beiden Beinen gegen die Wand, die Knie gegen scharfkantigen Stein gedrückt.
    »Sie sollen uns hochziehen, Wolf«, krächzte sie, ohne sich darum zu scheren, ob er sie überhaupt verstand. Die Erde ächzte und taumelte immer stärker einer Erschöpfung entgegen, die sie noch immer alle mit sich zu reißen drohte: Sie waren noch nicht einmal annähernd in Sicherheit. » Schnell .«

8
    Was war das? Verdutzt warf Greg einen Blick auf den unebenen Ziegelboden. Er hätte schwören können, dass sich die Ziegelsteine bewegt hatten. Oder drehe ich langsam durch? In dem Stall war es so kalt, dass man den Atem sehen konnte, trotzdem schmeckte Greg plötzlich Angstschweiß auf seiner Oberlippe. Ein greller Lichtstrahl bohrte sich in seine Augen, als sein Kopf wieder einmal hammerartig zu pochen begann. Bitte, lieber Gott, bitte. Lass mich nicht verrückt werden. Nicht jetzt.
    Dass er doch noch bei halbwegs klarem Verstand sein musste, zeigte ihm sein Golden Retriever Daisy, der sich aufrappelte und ein schrilles, warnendes Kläffen von sich gab. Also hatte die Hündin es auch gespürt. Und da war noch etwas – ein Geräusch, das weder von Mick Jagger noch von dem sabbernd schluchzenden Dale stammte: ein leises, fernes, hohles Wumm.
    Das war echt. Ich hab’s gehört. Was zum … Greg schaute kurz zu Pru hoch, der mit einer Sorgenfalte auf der Stirn neben ihm stand. Mit seinen siebzehn Jahren war Pru zwei Jahre älter als er und einer der kräftigsten Kerle, die Greg je gesehen hatte: zwei Meter groß, mit kantigen Gesichtszügen und breitschultrig, ein stiernackiges Mannsbild von der Sorte, für die ein Highschool-Footballtrainer seine Großmutter verkaufen würde. Zudem war Pru der einzige Junge, den Greg jetzt, da Peter und Chris weg waren, als eine Art Freund bezeichnen würde. Pru hat es auch gehört. Konnte es Donner gewesen sein? Greg warf einen raschen Blick aus dem Stallfenster. Kein Blitz. Nur das unveränderte, diffuse grüne Leuchten des Vollmonds. Ob es am Lake Superior gewitterte? Das wäre eine Erklärung. Wintergewitter gab es an den Großen Seen ständig. Aber der See ist an die zweihundert Kilometer weg. Selbst wenn es dort donnert, könnte man es nicht bis hierher hören.
    Abermals erzitterte der Boden, in einer seltsamen Wellenbewegung hoben und senkten sich die groben, blutbespritzten Ziegel, als hätte sich ein Riese unter der Erde im Schlaf umgedreht. Die Erschütterung war jetzt viel stärker als vorhin, sie fuhr Greg bis in die Oberschenkel.
    »Ach du heilige Scheiße«, sagte er. »Habt ihr das auch gespürt?«

9
    Sie waren zwei Meter vom Ausstieg entfernt, dann nur noch einen. Noch immer Wolfs Handgelenk umklammernd, schaffte Alex einen letzten ungelenken Sprung zum Rand hinauf, während unter ihren Stiefeln Felsgestein rutschte und bröckelte. Ein heißer Schmerz zuckte in ihr rechtes Sprunggelenk. Sie zwang ihn nieder, setzte den Fuß auf den Boden, schob sich vom Rand weg …
    Und landete in einem Albtraum.
    Die Welt zerbrach in Stücke. Das Brüllen der Erde war gewaltig, ein kratzig-mahlender Schrei, durchsetzt vom Knallen und Ächzen berstenden Gesteins. Zackige Risse zogen sich durch den Schnee. Eine Gruppe von Bäumen zu ihrer Linken schwankte nicht nur hin und her, sondern wurde regelrecht durchgerüttelt. Etliche Baumkronen waren abgebrochen, die Stämme nur mehr Splitter. In

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