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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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ihr Tränen in die Augen traten. Sie unterdrückte den Schrei, der sich über ihre Lippen stehlen wollte. Los, weiter, du hast’s gleich geschafft. Schneeplatten rutschten unter ihren Stiefeln weg wie Teller auf eisigem Grund; plötzlich schlitterte sie nach rechts, verlor fast den Halt und trat mit dem rechten Fuß ins Leere. Ihr linkes Bein versank tief im Schnee, aber sie konnte sich mit einem Satz befreien. Fast schon dort, nur noch zehn Meter … Patrone in die Kammer laden  … noch fünf Meter … Entsicherungsknopf drücken und schon in der Drehung anheben, denn sie bewegen sich, sind hinter dir her . Mit ihrem Vater hatte sie oft geübt, wie man mit der Glock auf ein bewegliches Ziel schoss. Anheben, Schatz, ins Visier nehmen, und nicht ducken.
    Da wackelte wieder die Erde. Sie sah die Skier hin- und herschwanken. Das Gewehr vibrierte und kam ins Rutschen. Sie war ganz nah dran, hatte es gleich geschafft, nur noch einen guten halben Meter! Aber was, wenn auch Wolf sich ein Gewehr schnappte oder eine Pistole zog? Könnte sie auf ihn schießen? Nach allem, was geschehen war? Das wäre, als würde sie Chris eine Waffe ins Gesicht halten. Hoffentlich kam es nicht so weit.
    Halb schlitternd tat sie den letzten Schritt – und spürte, wie der Schnee erzitterte. Wieder ging ein ungeheurer Ruck durch die Erde, mit einem enormen Schlag stürzte dort unten etwas sehr Großes ein, vielleicht eine weitere Kammer. Das Gefühl ließ sich kaum beschreiben, doch sie kam sich vor wie ein Glas auf einem weißen Tischtuch, das ein Zauberer fortzuziehen versucht, aber den Trick vermasselt. Die Beine wurden ihr weggerissen, ihre Knie knickten ein, die Füße traten ins Leere. Mit einem Aufschrei krachte sie auf den Hintern, und wie Weißglut fuhr ihr der Schmerz in die Wirbelsäule. Für einen Moment entglitt ihr Bewusstsein in ein lähmendes Nichts. Sie konnte sich nicht bewegen. Ihre Atmung stockte. Elektrische Ladung britzelte über ihre Haut, schoss ihr in Zehen und Finger. Würgend brachte sie endlich einen Atemzug zustande, dann noch einen. Sie drehte sich auf den Bauch, sog Luft ein, schüttelte sich, um die vor den Augen tanzenden Pünktchen loszuwerden.
    Alle Jungs lagen auf dem Boden, die meisten bäuchlings, sie hielten sich fest und gruben sich ein, ritten regelrecht auf der Erde wie Rodeoreiter auf bockenden Pferden. Der Rasta mit den Dreadlocks befand sich etwas tiefer als die anderen, durch den Sturz war er abgerutscht und näher an den Abhang geraten, und damit auch weiter weg von Alex. Glück für sie. Sie beobachtete, wie er schnurstracks nach oben zu klettern versuchte. Ihretwegen? Das war dumm, ein Fehler. Erst einmal sollte er sich aus der Falllinie bringen und dann hochklettern, bevor der ganze Schnee runterrutschte.
    Doch da dämmerte es ihr: Der Rasta war nicht hinter ihr her. Falscher Winkel. Alex ’ Blick wanderte nach oben.
    Wolf war vielleicht zwanzig Meter entfernt, rechts von ihr, in der Nähe der Stelle, wo sie an die Oberfläche gekommen waren. Er lag noch immer flach auf dem Rücken – und rührte sich nicht. War er bewusstlos? Er hatte viel Blut verloren. Vielleicht lag es auch nicht am Sturz, sondern war ein Ohnmachtsanfall? Beinahe hätte sie ihm etwas zugerufen, hielt sich aber gerade noch zurück. Egal. Soll sich der Bob-Marley-Jünger drum kümmern. Und grimmig dachte sie: So komme ich zumindest nicht in die Verlegenheit, auf ihn schießen zu müssen.
    Aber sie fand partout keinen Halt mit den Füßen. Die Erde hob und senkte sich, als wollte sie Alex abschütteln. Keuchend zog sie das linke Knie bis zum Bauch an, stützte sich mit den Händen ab und stemmte sich hoch. Die Skier waren in den Schnee gefallen, und das Gewehr … wo war es? Ihr Blick blieb an etwas hängen, das hinter einem Haufen Skier graugrün im Mondlicht glänzte – eine Lichtreflexion des Zielfernrohrs. Ja! Auf Händen und Knien kroch sie dorthin, ständig auf neue Erdstöße gefasst, und umrundete den Skihaufen. Sie streckte die Hand nach der Waffe aus, ihre Fingerspitzen berührten schon den kalten schwarzen Stahllauf …
    Von irgendwo hinter ihr ertönte ein tiefes Ächzen.
    Ihr erster Gedanke: Wolf? Nein, das war kein menschlicher Laut. Es war zu tief, als würde etwas im Erdinnern erwachen. Ein Geräusch wie eine Urgewalt.
    Es kommt aus der Erde. Es ist berstendes Gestein . Sie wagte nicht, sich umzudrehen. Direkt vor ihr lag das Gewehr. Noch ein kleines Stück und sie hatte es, dann einfach nur rennen,

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