Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
lässt sie mit Napalm und Molotow-Cocktails experimentieren.«
»Aber müssen wir das nicht sowieso alle mal lernen? Um uns zu verteidigen?«
»Meinst du? Findest du es nicht ein bisschen verrückt, dass wir uns damit womöglich selbst in die Luft sprengen? Das Zeug, auf das Mellie so scharf ist … ist total gefährlich. Deshalb hat Tom uns nie zuschauen lassen, wenn er damit gearbeitet hat, und es uns schon gar nicht beigebracht. Mellie hat da weniger Skrupel.«
»Aber …« Cindi fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Sie ist erwachsen.«
»Na und? Erinnerst du dich, was Tom über das Monster in ihm gesagt hat, das tötet, weil es so ein tolles Gefühl ist? Genau das habe ich bei Weller gesehen, er hat diesen Chucky ganz langsam umgebracht. Ihn im Schnee erstickt und dabei gelächelt. Es war grausig. Es ging ihm nicht darum, ihn einfach nur zu töten. Weller hat ihn ermordet. Und jetzt möchte Mellie Thermit, Flammenwerfer und Landminen. Was bringt uns das? Wir sprengen einen Haufen Leute in die Luft, retten diese anderen Kinder – und was dann?«
»Na ja«, begann Cindi und hielt dann inne. »Ich weiß nicht. Darüber habe ich noch nie richtig nachgedacht.«
»Genau. Weil uns die Erwachsenen das Denken abnehmen. Aber vielleicht wollen wir ja etwas ganz anderes?«
»Was meinst du damit?«
»Ich frage mich«, überlegte Luke, »ob die Chuckies und Rule unsere einzigen Feinde sind.«
36
»Also?« Mellie bedachte Weller mit einem finsteren Blick. »Ist es so schlimm, wie es aussieht?«
»Noch schlimmer.« Als er nach zwei Blechtassen greifen wollte, zuckte er unter dem Schmerz in der rechten Schulter zusammen. Das verdammte Ding würde steif werden, wenn er es nicht ständig in Bewegung hielt.
»Ich dachte, du könntest die Schnittwunden zusammenflicken?«
»Ja, ja.« Weller war zwar alles andere als ein Arzt oder Sanitäter, aber jeder Soldat, sogar so ein alter, heruntergekommener Veteran wie er, wusste halbwegs, wie man Wunden versorgt. »Tom ist kräftig, und er ist jung. Er müsste wieder gesund werden. Hat verdammtes Glück gehabt, dass er nicht gebissen worden ist.«
»Er kann von Glück sagen, dass er überhaupt noch lebt.« Mellie war nicht sonderlich groß oder muskulös, aber stämmig und kampflustig, und sie hatte ein Faible für große Kurzwaffen wie die verchromte Pistole vom Kaliber .44 Magnum, die sie in einem Holster diagonal über der linken Hüfte trug. »Was zum Teufel hat er sich dabei gedacht? Hat er es darauf angelegt, sich umbringen zu lassen?«
»Ich glaube, er wusste selbst nicht, was er dort wollte, Mellie.« Nach einem Blick auf Tom in den blutdurchtränkten Wintertarnklamotten – und nach einem flüchtigen Blick auf die üblen Schnittwunden – hätte er dem Burschen am liebsten selbst ein bisschen Verstand eingebläut. »Wir müssen Tom Zeit geben und ihm Freiraum lassen, damit er darüber hinwegkommt.«
» Freiraum? Er war über eine Woche auf dem Turm.«
»Gönn ihm eine kleine Auszeit, Mellie, okay?« Weller schüttelte ein Päckchen, bevor er es aufriss und den Inhalt in eine Tasse schüttete. »Ich weiß, was ich tue.«
»Tatsächlich?« Im trüben Licht des Gasbrenners wirkten ihre grauen Augen wie aus Stein, ihre Lippen schimmerten lila. »Manchmal hab ich da meine Zweifel, Weller. Niemand ist unersetzlich, auch nicht Tom.«
»Herrgott im Himmel, weißt du eigentlich, was du da redest?« Ärgerlich wandte er sich ab, sodass er mit dem Rücken zum Küchentisch stand. »Tatsächlich ist Tom der Einzige im Lager, der nicht ersetzbar ist. Denk mal an Luke und Cindi, die würden alles für ihn tun. Ich garantiere dir, keines von den Kindern würde sich für dich oder mich opfern.«
»Tom nützt uns nur, wenn er etwas bringt und keine Belastung darstellt. Es fehlt uns gerade noch, dass er sich in den Kopf setzt, das Mädchen würde noch leben und er müsste sie ausfindig machen.«
Weller hatte Mühe, sich seinen Verdruss nicht anmerken zu lassen. Genau das hatte Tom gedacht und gewollt: Da war der Skistock, Weller. Und die Glock. Wie sollte ich das ignorieren? Wenn diese Chuckies sie rausgeholt haben, wenn es auch nur eine geringe Wahrscheinlichkeit gibt, dass sie noch am Leben ist …
»Du darfst nicht vergessen, dass er ja am Ende von diesem verdammten Turm runter- und zurückgekommen ist.« Obwohl Letzteres wohl reines Glück gewesen war, dachte Weller. Wenn diese Chucky dort nicht aufgekreuzt wäre, hätte sich Tom vielleicht auf Nimmerwiedersehen
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