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Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)

Titel: Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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sie mich vielleicht nicht. Aber ich muss auf der Hut sein. Ich darf die Chuckies nicht zu unserem Lager führen; ich muss die Kinder schützen.
    Das alles war so merkwürdig. Unten am See lagen haufenweise Tote, jede Menge Frischfleisch also, dennoch ließ sich dort kein einziger Chucky blicken, um sich den Bauch vollzuschlagen. Und all die knackigen Jungs und Mädchen im Lager – ein verlassener Bauernhof, umgeben von offenem Land und Weideflächen –, doch auch dort tauchten niemals Chuckies auf. Als befände sich das Lager unter einer Käseglocke, in einem unsichtbaren Kraftfeld. Das war Tom schon immer sonderbar vorgekommen.
    Er starrte auf das tote Mädchen hinab. Leichen hatte er schon viele gesehen. Den Tod erkannte man auf den ersten Blick, weil der Tod etwas wegnimmt, besonders von den Augen. Etwas verflüchtigt sich. Die Augen der Toten sind leere Fenster in einem verlassenen Haus. Andererseits gab es auch diese Magie des Schlachtfelds, jene kurzen Momente, wenn einem eine langbeinige Spinne den Rücken hinunterkrabbelte; wenn einem das Grauen in die Kehle kroch und die Angst verdrängte. In diesen Augenblicken konnte man sich nicht vorstellen, dass die Toten nicht wiederauferstehen würden.
    So war es auch mit Chucky. Sogar im Tod hatte ihr zinnoberroter Blick, immer noch voller Irrsinn und Besessenheit, etwas an sich, was einen in Albträumen heimsuchte.
    Und ich habe so etwas schon mal gesehen. Aber wo? Was bist du nur? Ein heftiger Schauder verschlug ihm den Atem. Die Arme verschränkt und fest an den Körper gepresst stand er da, und jetzt bekam er wirklich Angst. Woher kommst du?
    Da drängte sich ihm ein Gedanke auf, ja, sprang ihn förmlich an: Wer hat dich erschaffen ?
    »Du driftest ab, Tom.« Seine Stimme klang ihm seltsam fremd in den Ohren, doch es tat gut, sie zu hören. Er brauchte das jetzt. »Das ist doch verrückt. Wer würde Chuckies noch übler machen, als sie sowieso schon sind? Wozu?« Das wiederum entlockte ihm ein Lachen – ein harter, abgehackter Laut tief aus seiner Kehle, wie das ferne Krächzen der Krähen. »Mann, was redest du da? Du warst doch in der Armee. Wer würde sich nicht noch bessere Killermaschinen wünschen, Soldaten, die nicht mal wissen, was Aufgeben ist?«
    Und wer, überlegte er, würde solche Soldaten nicht gerne ausbilden?
    Der Wald. Dieser schwarze Fleck. Dieses Glitzern. Er zog sein Fernglas aus dem Parka, dankbar dafür, dass er es nicht um den Hals gehängt hatte. Sonst konnte man ganz schnell stranguliert werden.
    »Du hast keine Zeit für so was«, sagte er sich, während er mit dem Fernglas die Bäume absuchte. »Du hast zehn Sekunden, Tom, dann musst du wirklich …«
    Aber er brauchte keine zehn Sekunden, nicht einmal sieben.
    Sondern nur drei.

35
    Das war echt übel. Cindi hatte doch gleich gewusst, dass Tom nichts Gutes im Schilde führte. Ihr Bauchgefühl, wie ihre Mom es genannt hätte, so ein seltsam flaues Unwohlsein, hatte ihr verraten, dass Tom irgendeine riesige Dummheit machen würde.
    Seit dem zweiten Tag nach dem Bergwerkseinsturz besuchte Cindi ihn immer am frühen Morgen, ehe sie zu ihrem Spähposten ging. (Was tooodlangweilig gewesen war, bis es richtig grässlich wurde. Erst gab es ewig nichts zu sehen außer dem ausgeweideten Berg und diesem großen blauweißen Auge von einem See, und dann tauchten die Krähen auf und … na ja … sie war zwar erst zwölf, aber nicht doof.) Manchmal kam Luke mit, doch er war vierzehn, der Zweitälteste nach Tom, und hatte nie viel Zeit. Also ging sie meistens allein und brachte Tom etwas zu essen mit, damit er nicht völlig vom Fleisch fiel. Seine Augen waren so tief in die Höhlen eingesunken, dass man meinen konnte, man schaute in tiefe dunkle Löcher. In denen man sich leicht verlieren konnte. Sie drängte ihn zu nichts, und sie redeten auch nur wenig. Aber darauf, dachte sie, kam es nicht an. Sei einfach bei ihm. Das hätte ihre Mom gesagt. Zeige ihm, dass du noch da bist, und warte, bis er sich von selbst öffnet.
    Am vierten Tag war Mellie ihrer Standarderklärung »Tom braucht seinen Freiraum« offenbar selbst überdrüssig geworden und beschloss: »Hey, was dagegen, wenn ich mitkomme?« Tja, was sollte Cindi dazu schon sagen? Nö, halt dich da raus, du alte Hexe? Mann, dort oben auf dem Turm war es ohnehin schon schweinekalt, aber die Temperatur fiel deutlich unter den Gefrierpunkt, als Tom sah, wie Mellie durch die Falltür heraufkletterte. Alles Menschliche in ihm schien

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