Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
nicht …
»Aha. Futterstation.« Pru wies auf ein fröhlich gelbes Tischset in einer Ecke der Küche hinter dem rustikalen Esstisch. Neben einer halbvollen Wasserschüssel aus Aluminium stand eine runde Keramikschüssel, dekoriert mit einem Fischskelett und den Worten Miau und Lecker . Es lag sogar noch ein Stückchen Trockenfutter darin. »Ein Katzenklo sehe ich nicht.«
»Vielleicht haben sie das Tier rausgelassen«, meinte Aidan. »Könnte immer noch draußen sein, wenn der alte Sack nicht abgehauen ist.«
»He«, sagte Greg, dem unangenehm bewusst war, dass Jarvis die Bezeichnungen alter Sack auch auf sich beziehen könnte. Aidan sollte wirklich seine Zunge hüten. »Halt einfach die Klappe, okay?«
»Was?« Aidan schaute tatsächlich ratlos drein. »Was hab ich denn gesagt?«
»Schon gut, Kleiner «, sagte Jarvis mit Betonung auf dem letzten Wort und sah dann Greg an. »Chester würde nicht abhauen. Und bei dem Theater, das Verna veranstaltet hat, wette ich zehn zu eins, dass die Katze noch da ist.«
»Vielleicht haben sie sie in einem Schrank eingesperrt.« Greg bemerkte in der Ecke die Tür zu einer Speisekammer und öffnete sie. In dem fensterlosen Raum war es stockfinster. Greg holte seine Taschenlampe heraus und ließ das gelbe Licht über den Holzboden gleiten. »Ein Sack Trockenfutter, ein paar Dosen Nass…«
»Was?«, fragten Aidan und Lucian gleichzeitig, als Greg verstummte.
»Moment mal.« Die Holzböden in dem alten Haus waren nicht allzu sauber, aber in der Kammer waren die Dielen heller, nicht abgenutzt, und ihm fiel ein Brett auf, das verkratzt aussah. Und die Fugen daneben waren breiter. Als wäre es ausgetauscht oder rausgebrochen worden. Er drückte drauf und das Brett wackelte. Junge, Junge. Er wagte es nicht zu hoffen, aber sein Herz schlug ein bisschen schneller. Hier könnte was sein, hier könnte wirklich … Mit der Spitze seines Taschenmessers fuhr er in die Fuge. Die Klinge ging mühelos hinein.
»He«, rief er. Als sich die anderen an der Tür drängten, zeigte er darauf. »Das Brett hat jemand rausgeholt. Ich brauch aber einen längeren Hebel, um es hochzustemmen.«
»Hier.« Lucian zog eine schwarze Karbonstahlmachete, mit der man wahrscheinlich einen Büffel köpfen konnte, aus der Scheide an seiner Hüfte. »Probier’s mal damit.«
Greg schob die Klinge gute zwanzig Zentimeter durch den Spalt, bis er klickend auf ein Hindernis stieß. Metall? »Da ist was.«
»Bist du sicher, dass es nicht bloß ein Balken ist?«, fragte Pru.
»Nach Holz fühlt es sich nicht an. Ich spüre einen Luftzug. Wahrscheinlich ist da ein Kriechkeller unter dem Haus.« Keine fünf Sekunden später hatte Greg das Brett angehoben und staunte. »Heilige Scheiße.«
Im gelben Lichtkegel, den die Taschenlampe in das Versteck warf, funkelten Gläser wie seltene Edelsteine: kleine Gläser mit Erdbeermarmelade, goldener Orangenmarmelade, Blaubeergelee; größere Gefäße und Einweckgläser mit Karotten, Spargel, Pilzen, Kartoffeln und anderem Gemüse und Obst.
»Boah«, sagte Lucian, und Aidan ergänzte: »Leck mich am Arsch.«
»Mein Gott.« Jarvis sprach die Worte aus wie ein Gebet. Er drängte sich vor und holte ein großes Glas heraus, vollgestopft mit Früchten, die in klarem Sirup schwammen. In dem Licht sahen die Pfirsiche aus wie goldene Halbmonde. »Sie haben Essen. Sie haben richtiges Essen.«
Stachelbeeren, las Greg auf einem anderen Glas, in schönen, akkuraten Buchstaben und mit Datum versehen. Stachelbeeren hatte er noch nie gegessen, aber sie schmeckten bestimmt sagenhaft. Sein Magen knurrte, und unter seiner Zunge sammelte sich so viel Speichel, dass er fürchtete, er könnte anfangen zu sabbern. Aprikosen. Kirschen. Um sich abzulenken, zählte er die Gefäße. »Sechsunddreißig. Nicht umwerfend viel, aber …«
»Egal, ob viel oder nicht.« Jarvis drückte das Glas mit den Pfirsichen an seine Brust, wie es Reverend Yeager bei der Predigt mit seiner Bibel tat. »Ich hätte es mir denken können. Ich kenne Verna von klein auf, also an die sechzig Jahre. Schon ihre Mutter hat immer den ganzen Sommer und Herbst über wie verrückt eingekocht. Aber als wir hier vor sieben Wochen gesucht haben, war alles wie leergefegt, und da dachte ich mir noch, wie seltsam das ist. Das sah Verna gar nicht ähnlich. Andererseits war es Monate her, seit alles den Bach runtergegangen ist, und ich dachte, na gut, sie haben es eben aufgegessen.« Plötzlich verfinsterte sich Jarvis’ Gesicht.
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