Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
schweren Stiefel. Was war das? Ihr Herz krampfte sich zusammen. Völlig regungslos stand sie da, das unangezündete Streichholz in der Hand, dann beugte sie sich vorsichtig nach rechts und spähte durch die schmale Küche zu der abgesperrten Kammer, in der sie ihre mageren Vorräte aufbewahrten. Als sie ihr Gewicht verlagerte, hörte sie es wieder knistern: der Sand unter ihren Füßen. Du hast dich selbst gehört, Dummerchen. Sie zündete den Campingkocher an und stellte den Topf mit dem Eis auf die Flamme. Du machst dich bloß verrückt.
Nachdem sie den passenden Schlüssel an ihrem Bund herausgesucht hatte, ging sie zur Vorratskammer und steckte ihn ins Schloss. Doch als sie ihn drehte, sprang der Riegel nicht auf … sondern rastete ein. Nanu? Sie runzelte die Stirn. Die Tür war offen? Das dürfte nicht sein.
Dann fiel ihr wieder ein, was Tori gesagt hatte: Beim Kehren im Keller … Tori hatte die Arbeit als Vorwand genutzt, um den Seiteneingang zu öffnen, sodass Greg und Pru sich hereinstehlen konnten. Aber jetzt liegt hier Sand. Im Vorraum war es auch deutlich kälter gewesen als sonst, ging es ihr durch den Kopf, und ihr Pulsschlag beschleunigte sich. War es in der Kirche deshalb so frostig, weil die Seitentür offen stand? Hätte sie es bemerkt? Nein, einen Luftzug hätte sie allenfalls gespürt, wenn sie stehen geblieben wäre. Und im Keller ist es eiskalt, weil die Luft, wenn die Tür tatsächlich offen ist, in zwei Richtungen durchziehen kann, rauf in den Altarraum …
Und zu ihr herunter in den Keller.
Aber mal langsam: Tori war Greg gefolgt. Hatte sie erwähnt, ob sie abgesperrt hatte, nachdem die Jungs fort waren? Sarah hatte nicht danach gefragt. Und sie hätte es auch nicht überprüft, weil Tori genug Verstand hatte, um selbst zu wissen, dass die Türen immer abgeschlossen sein mussten.
Selbst wenn sie abgesperrt hat, ist möglicherweise davor schon etwas oder jemand hereingekommen und treibt sich jetzt immer noch hier herum.
Nein, das war Unsinn. Warum sollte sich jemand in einem eisigen Keller aufhalten? Was gab es hier schon Besonderes? Na ja, Essen. Logisch. Und da musste sie an etwas anderes denken, das Tori gesagt hatte: Als sie den Seiteneingang aufsperrte, war Cutter da gewesen.
Mein Gott. Was, wenn Tori die falschen Schlüsse gezogen hatte? Cutter besaß einen Schlüssel. Also war er vielleicht eigentlich hier, um Lebensmittel zu stehlen. Hier ein Löffelchen Erdnussbutter, da ein paar Kekse – wer weiß? Schließlich zählten sie ja nicht jede Bohne.
Vielleicht sollte sie einfach rausrennen und den Keller abschließen. Ja, aber das hieß, sie musste erst mal den dunklen unheimlichen Gemeinschaftsraum durchqueren. Von dort führte der einzige Fluchtweg durch die Seitentür, oder sie lief die nächste Treppe hoch zum Altarraum. Das Beste war also wohl, denselben Weg zurückzunehmen, den sie gekommen war, und schnurstracks zurück in die Schule, wo sich die Mädchen dann einschließen konnten. Wenn etwas hinter ihnen her war …
Tori hat eine Flinte, ich eine Pistole. Aber mit Schusswaffen konnte sie nicht gut umgehen, sie mochte sie nicht. Schön, dann kämpfen wir eben nicht gegen das Schreckgespenst. Sperren die Türen ab, machen ein Fenster auf und schreien. Falls sie denn jemand hörte. Es war Spätnachmittag, fast schon Abend. Die Leute gingen kaum noch auf die Straße, wenn es nicht sein musste. Wenig zu essen bedeutete wenig Energie …
Da war wieder das Geräusch, und diesmal klang es rauer – nicht nur ein Knirschen, sondern das Scharren eines schweren Stiefels.
Im selben Augenblick wurde ihr klar: Da lauerte nichts in der Vorratskammer. Es oder jemand war hinter ihr, geisterte durch die Schwärze des Gemeinschaftsraums.
Und kam direkt auf sie zu.
42
»Nein.« Greg stellte seinen Fuß in die Tür. »Machen Sie es sich und uns nicht unnötig schwer.«
»Aber das ist ein Irrtum.« Soweit Greg es durch den Türspalt sehen konnte, war Verna Landry – ein funkelndes Fledermausauge tief in der Höhle – abgemagert bis auf die Knochen. »Ich weiß nicht, wer so was behauptet hat …«
»Da können wir doch drüber reden«, schlug er vor und versuchte, Mitgefühl, aber auch Entschlossenheit durchklingen zu lassen. Eine Katze. Ich schikaniere diese arme Frau wegen einer Katze. Es war immer eine heikle Sache, wenn er entscheiden musste, wie viele Leute er mitnahm, und ob sie wirklich uralt oder einfach normal alt sein sollten. Diesmal kamen sie zu sechst, darunter
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