Ashes - Ruhelose Seelen (German Edition)
»Und sie haben sich trotzdem Rationen geben lassen.«
»Diese Ärsche«, sagte Aidan.
»Ja, das ist nicht richtig. Es ist einfach nicht fair«, warf Lucian ein.
»Aber ich begreif es nicht.« Pru betrachtete ein Glas mit hellroten Eiern, die in Rote-Bete-Saft eingelegt waren. Greg war sich sicher, wenn man Pru vor fünf Monaten so etwas zu essen angeboten hätte, hätte er entrüstet abgelehnt. »Warum sieht die alte Dame dann aus, als würde sie verhungern?«, fragte Pru.
»Vielleicht ist das ihre Notration«, überlegte Lucian.
»Oder sie haben nur ab und zu ein bisschen was davon genascht.« Aidan nahm ein Glas sauer eingelegten Rosenkohl in die Hand. »Mann, was hab ich den Mist gehasst, aber jetzt? Immer her damit. Wir müssen den ganzen Rest vom Haus aufreißen. Wir sollten alle Häuser aufreißen, Wände, Böden, alles.«
»Moment mal, nicht so hastig.« Greg wurde schwindlig. Das Verlangen, dieses Glas mit den Kirschen zu öffnen, wurde schier übermächtig. »Das ist cool, aber wir sind wegen der Katze hier.« Was rede ich da?
»Vergiss die Katze.« Lucian holte ein Einweckglas mit rubinroten Pflaumen heraus. »Mann, wir könnten …«
»Denk nicht mal im Traum daran.« Greg stellte die Kirschen zurück, obwohl es ihn allergrößte Mühe kostete. »Na los, gebt die Gläser her.«
»Jetzt mal langsam.« Lucian hielt sein Glas in die Höhe, sodass Greg ins Leere griff. »Haben wir nichts mitzureden?«
»Nein.« Greg hatte ein flaues Gefühl im Magen. Als er Prus enttäuschtes Gesicht sah, bekam er Zweifel, ob hier nicht am Ende vier gegen einen stehen würden. Vielleicht sogar fünf, wenn man den Tattergreis Henry dazurechnete. »Hört mal, ich verstehe euch, aber das können wir nicht machen. Es wäre den anderen gegenüber nicht fair.«
»Scheiß auf Fairness.« Im Halbdunkel sahen Aidans Tattoos aus wie Käfer, die sich aus seiner Wange herausgefressen hatten. »Alter, ich habe Hunger. Wir halten den Mund, niemand muss es erfahren.«
»Die alte Frau weiß Bescheid«, brummte Lucian.
»Das lässt sich ändern«, meinte Aidan.
»Nein«, beharrte Greg. »Wir liefern das Zeug ab und basta.«
»Und wenn ich nicht mitmache?«, erwiderte Adian. »Du kannst mich nicht zwingen.«
Das hörte sich dermaßen bockig an, dass Greg sich einen bösen Kommentar verkneifen musste. Bring nur einen dazu, sein Glas herzugeben. »Das ist ausgeschlossen. Los, Jungs.« Er hielt Pru die Hand hin, der wahrscheinlich als Erster nachgeben würde. »Gib her.«
Nach einer kleinen Ewigkeit drückte Pru Greg das Glas in die Hand. »Hier«, sagte er, »nimm das verdammte Ding, bevor ich es noch aus Versehen absichtlich fallen lasse.«
Greg stellte das Glas zurück und fixierte Aidan und Lucian. »Ihr auch. Ihr kennt die Regeln. Wir teilen die Lebensmittel. So wird es gemacht.«
Aidan tauschte einen Blick mit Lucian, der seine kalten Augen kurz auf Pru richtete, um seine Möglichkeiten auszuloten. Einen Moment später zuckte Lucian die Achseln und übergab wortlos sein Glas.
»Verdammt.« Auch Aidan warf seinen Rosenkohl Greg zu, der das Glas beinahe fallen ließ. »Idiot. Ich hoffe, du erstickst daran.«
»Jarvis?« Mit klopfendem Herzen sah Greg zu dem alten Mann hoch. »Komm schon.«
»Es ist nur ein Glas Pfirsiche.« Jarvis fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Das muss doch keiner erfahren.«
»Das meine ich auch, Kumpel«, mischte sich Aidan ein.
»Ich bin verdammt noch mal fünfundsiebzig Jahre alt«, sagte Jarvis und sein Gesicht verhärtete sich. »Aber ihr seid dem Rat ja wichtiger. Die Verschonten kriegen mehr zu essen. Ihr kriegt alles.«
»Hey, vergiss es, Jarvis«, sagte Lucian. »Mein Magen ist ein großes leeres Loch.«
»Klar«, schlug Pru in dieselbe Kerbe. »Wir Verschonten sind ja so gut dran!«
»Alles, was ich verlange, ist ein lächerliches Glas Pfirsiche, in Gottes Namen«, beharrte Jarvis.
»Jarvis.« Greg hatte einen Kloß im Hals. »Jeder von uns hat Hunger. Aber du kennst die Regeln.«
»Regeln.« Jarvis’ Augen verengten sich. »Mit denen man sich gut arrangieren kann, wenn sie einem nützen. So wie dir und den anderen Lieblingen des Rats.«
»Hey, wen nennst du hier Liebling?«, warf Aidan ein. »Wir haben unsere Lebensmittel auch hergegeben.«
»Klar, aber warum?« Jarvis funkelte Greg böse an. »Vielleicht, weil euch der Rat die Befehlsgewalt übergeben hat? Wir hier haben die jahrelang unterstützt. Wir haben unsere Enkel geopfert. Haben zugelassen, dass sie
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