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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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ihre Kleidung. Niemals würde sie blaue Schuhe zu einem grünen Kleid tragen. So etwas war vielleicht Addie zuzutrauen, aber keinesfalls Bea. Dazu war sie viel zu sehr auf ihr Äußeres bedacht.
    Aber war das Kleid wirklich grün gewesen? Für Addie hatte es so ausgesehen, aber es war dunkel gewesen, und bei der ungewissen Beleuchtung war nichts sicher. Außerdem hatte Addie anderes im Kopf gehabt. Sie hatte nur auf Frederick geachtet, der so schweigsam und in sich gekehrt war, nicht auf Bea, die sich damit amüsierte, Val und Raoul gegeneinander auszuspielen. Addie hätte es wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, wenn Beas Schuhe knallrot gewesen wären.
    Ein blassblauer Crêpe de Chine sah bei Kerzenlicht nicht so viel anders aus als grüner Chiffon.
    «Können Sie mir wenigstens die ungefähre Zeit sagen?», fragte der Superintendent. Er hatte einen nasalen, fremdartigen Akzent. Kanadier, hatte er gesagt, als er sie vor drei Tagen zum ersten Mal befragt hatte. Seitdem waren seine Gesichtszüge zunehmend gehetzt geworden, die Falten neben seiner Nase tiefer, seine Fragen merklich pointierter.
    «Wir haben nicht auf die Zeit geachtet», sagte Addie. «Ich hatte den Eindruck, dass es spät war, aber bei dem frühen Sonnenuntergang kann das trügen. Es könnte jederzeit zwischen neun und Mitternacht gewesen sein. Es tut mir leid. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.»
    «Das ist ganz in Ordnung.» Der Superintendent machte sich mit seinem Bleistift eine Notiz.
    Addie hatte begonnen, diese Notizen zu hassen. Seit Tagen ging sie jetzt in diesem Zelt aus und ein, um sich, wie es schien, völlig willkürliche Fragen stellen zu lassen und sich das nervtötende Kratzen dieses Bleistifts in diesem lächerlichen kleinen Notizbuch anzuhören. Und die ganze Zeit irrte Bea vielleicht irgendwo dort draußen herum, möglicherweise verletzt.
    «Nein», sagte Addie mit solchem Nachdruck, dass der Superintendent den Bleistift fallen ließ. «Nichts ist in Ordnung. Was unternehmen Sie eigentlich, um meine Cousine zu finden?»
    «Miss Gillecote …», begann der Superintendent beschwichtigend.
    «Sie ist jetzt seit vier Tagen verschwunden. Seit vier Tagen, Superintendent. Wir haben immer noch keine Ahnung, wo sie ist, und sind einer Aufklärung auch noch keinen Schritt näher gekommen, soweit ich feststellen kann. Vielleicht ist sie gestürzt und hat sich am Kopf verletzt. Vielleicht ist sie verwirrt und findet sich nicht mehr zurecht.»
    Addie konnte sie sich vorstellen, wie sie abgemagert, schmutzig und von Dornen zerkratzt durch den Busch irrte, ihren Durst an Wasserrinnsalen stillte, desorientiert und allein.
    Die Angst machte sie energisch. Sie stand auf und stützte beide Hände auf den provisorischen Schreibtisch des Polizeibeamten. «Anstatt da draußen nach ihr zu suchen, sitzen Sie hier und stellen immer wieder dieselben Fragen. Ich kann mir nicht vorstellen, was dabei herauskommen soll.» Als der Superintendent etwas sagen wollte, schnitt sie ihm einfach das Wort ab. «Mir ist durchaus klar, dass ein umfassendes Protokoll notwendig ist, aber wäre es nicht angebrachter, den bürokratischen Teil zu erledigen, wenn Sie meine Cousine gefunden haben?»
    «Miss Gillecote», begann der Superintendent von Neuem. «Die Chancen, dass Ihre Cousine jetzt noch gefunden wird, sind gering. Wenn sie zu finden gewesen wäre, hätten wir sie gefunden.»
    Eine Fliege summte in der Stille des Zelts. Draußen zwitscherte ein Vogel. Addie spürte, wie ein Schweißtropfen langsam von ihrem Nacken ihren Rücken hinunterrann.
    Die Vorstellung, dass Bea unauffindbar bleiben würde, dass sie tot sein könnte, war undenkbar. Sieben Leben, das hatte Val Vaughn gesagt.
    Ja, aber wie viele davon hatte sie verbraucht?
    Addie setzte sich wieder. «Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn», sagte sie mit einer hochnäsigen Geringschätzung, die Tante Veras würdig gewesen wäre. «Wenn meine Cousine tot wäre, müssten wir doch einen Leichnam gefunden haben.»
    Sie glaubte Mitleid im Blick des Superintendent zu erkennen, als dieser sie ansah. «Nicht unbedingt. Im Gegenteil, das ist äußerst unwahrscheinlich. Die Tiere …»
    «… sorgen für sich.» Addies Stimme klang merkwürdig hoch.
    Der Superintendent schien befremdet. Addie schüttelte den Kopf. «Entschuldigung. Das hat nur jemand einmal zu mir gesagt.»
    «Er hatte recht. Die Tiere hier draußen machen mit Kadavern kurzen Prozess.» Er bemerkte ihren Blick und sagte entschuldigend: «Verzeihen Sie,

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