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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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Wenn sie lange genug verschwand, würden die von der Personalabteilung sie vielleicht suchen lassen, aber das würde eine Weile dauern. Wichtig war sie ihnen nur gewesen, solange sie noch Kandidatin für die Chefetage gewesen war.
    In ihrem Büro hatte sie sich mit fest geschlossener Tür gegen die Beileidsbekundungen ihrer Sekretärin und die halb neugierigen, halb mitleidigen Blicke ihrer Kollegen abgeschottet. Das Getuschel, das ihr durch die Korridore gefolgt war, hatte ihr gereicht. Sie ließ sich in ihren Sessel fallen und starrte auf den Bildschirm ihres Computers, wo die E-Mails wie die Maulwürfe bei Whac-A-Mole aus den Löchern krochen und darauf warteten, erschlagen zu werden, um den nächsten Platz zu machen. Sie hatte nicht die Energie, sich auch nur eine einzige E-Mail vorzunehmen, nicht die internen, nicht die von Mandanten und schon gar nicht die mit den aufdringlichen roten Flaggen dran. Wen interessierte es, ob die Firma sich freuen würde, wenn sie im April beim Sommerempfang der Anwaltskammer für Studienabgänger der juristischen Fakultäten bei der Programmgestaltung mitwirken würde? Was erwarteten sie denn, dass sie den Leuten erzählen würde? Kommt zu CPM , schuftet bis zum Umfallen und lasst euch dann an die Luft setzen. Haha.
    Harold brauchte Hilfe bei einem Memo. Sie sollte für den Angsthasen im vierten Jahr sicherheitshalber einen Schriftsatz durchsehen, den er verfasst hatte. Zum Teufel mit ihnen. Sollten sie doch alle zu Paul gehen.
    Alles, wovon sie geglaubt hatte, es gäbe ihrem Leben Sinn – ihre Arbeit, ihre Familie –, war zerplatzt wie eine Seifenblase. Sie hatte sich in ihrem kleinen Büro zwischen den hohen Mauern des Worldwide Plaza-Gebäudes und in Grannys Wohnzimmer immer so behütet gefühlt. Immer hatte es einen Ort gegeben, an den sie gehörte, Menschen, die sie brauchten. Jetzt hockte sie wie ein Häufchen Elend in dem Sessel in ihrem Büro, das nicht mehr ihres war, und fühlte sich bis auf die Haut entblößt. Es war, als wäre nichts von ihr übrig bis auf die rein körperliche Person: eine hochgewachsene Frau in einem billigen Kostüm mit Kaffeeflecken auf den Ärmeln, unpraktischen hochhackigen Schuhen und Strümpfen mit einer Laufmasche.
    Sie nahm das BlackBerry von ihrem Gürtel und legte das brummende Ding auf den Schreibtisch. Sie zog ihren Mantel an, wickelte sich ihren Schal um den Hals und ging nach Hause. Sie nahm eine Dusche und blieb lange genug unter dem heißen Strahl stehen, um jede Spur von Cromwell, Polk & Moore von ihrem Körper zu waschen, als ließen sich die letzten sieben Jahre mit einem Spritzer Pantene und Irish Spring abspülen. Nach einigem Herumkramen entdeckte sie ganz hinten in ihrem Schrank ein altes Kleid, feine schwarze Wolle, eng anliegend. Sie hatte so lange praktisch nichts anderes getragen als Kostüme, dass sie vergessen hatte, wie man sich in einem Kleid fühlte. Sie hatte vergessen, wie es war, wenn man sich für eine Verabredung zurechtmachte und sich beim Schminken Zeit nahm.
    Als sie nach unten lief, erkannte sie sich im ersten Moment gar nicht in der Spiegelwand des Foyers. Sie schaute einmal hin, dann noch einmal, um die Frau im Spiegel mit der Clemmie, die sie kannte, in Einklang zu bringen. Das schwarze Kleid saß wie angegossen und brachte Rundungen zum Vorschein, von denen sie gar nicht mehr gewusst hatte, dass sie sie besaß. Die hochhackigen schwarzen Stiefel waren auch nicht so übel. Sie verliehen ihrem Gang etwas Stolzes. Es sah ganz anders aus als sonst, wenn sie mit hochgezogenen Schultern und gesenktem Kopf losstürmte wie zum Kampf bereit.
    Unwillkürlich ging Clemmie langsamer, lässiger, ja, sie bummelte geradezu. Ihre Haare waren nachgewachsen und schwangen knapp oberhalb der Schultern gefällig um ihren Kopf, blond wie die eines Models, ein schöner Kontrast zu dem schwarzen Kleid. Clemmie wusste nicht recht, wer diese Frau im Spiegel war, aber sie wirkte überraschend sexy. Und elegant.
    Sie sah dem Marquis, Tony, an, dass er ihre Bemühungen zu schätzen wusste. Er musterte sie mit freimütigem Wohlgefallen, auch wenn er schnell zur Speisekarte hinunterschaute, als er ihren Blick bemerkte.
    Wann hatte das letzte Mal jemand sie so angesehen? Clemmie versuchte, sich zu erinnern. Ihre Kostüme waren für sie zu einer Art Schutzpanzer geworden. Sie hatte fast vergessen, wie man flirtete. Mit Jon, ach, mit Jon war das etwas anderes, er hatte sie in den letzten zwanzig Jahren in jeder möglichen Aufmachung

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