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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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übersehen. Aber wir dachten alle, es wäre, oh, eine Art gallischer Temperamentsüberschwang. Es war absolut nichts Ernstes daran.»
    Der Superintendent machte sich eine Notiz.
    Addie richtete sich auf. «Meine Cousine war eine Frau von Welt, Superintendent. Sie hatte Bewunderer, und sie flirtete gern, aber es war nichts Verstohlenes oder Heimliches daran. Es war ganz normales gesellschaftliches Verhalten.» Sie blickte ihm direkt in die Augen. «Jeder kannte die Regeln.»
    Es waren nicht ihre Regeln, aber es waren immer die von Bea und ihrer Clique gewesen, und das war das Entscheidende.
    Der Blick des Superintendent schweifte zu dem blutbefleckten Schuh. «Aber vielleicht hat jemand nach anderen Regeln gespielt.» Er ließ ihr einen Moment Zeit, damit die Bemerkung sich setzen konnte, dann sagte er geschäftsmäßig: «Danke Ihnen, Miss Gillecote. Sie waren eine große Hilfe.»
    Es war eine deutliche Verabschiedung. Aber Addie war nicht gewillt, sich verabschieden zu lassen. Sie hatte hundert Fragen, nur konnte sie sie nicht stellen, ohne Dinge preiszugeben, die der Superintendent sich nach seinem Belieben zurechtbiegen konnte. Er hatte bereits eine Theorie, dessen war sie sicher, und ebenso sicher war sie, dass ihr diese Theorie nicht gefallen würde.
    Sie stand auf. «Sie werden mich doch auf dem Laufenden halten, Superintendent? Wenn ich irgendetwas tun kann …»
    «Danke, Miss Gillecote. Ach ja», fügte er mit bemühter Beiläufigkeit hinzu, «es gibt tatsächlich noch eine letzte Kleinigkeit.»
    «Ja?» Addies Nerven waren zum Zerreißen gespannt, doch sie ließ sich nichts anmerken.
    Der Superintendent warf einen Blick in seine Aufzeichnungen. «Mr. Desborough hat uns berichtet, dass Sie vorhatten, nach der Safari nach England zurückzukehren.»
    «Das ist richtig», sagte Addie langsam. Das war tausend Jahre her. Sie hatte heimreisen wollen, um Bea zu schonen. Bea … Nein. «Ich wollte mich gleich nach unserer Rückkehr um die Reisevorbereitungen kümmern. Ich hatte … ich habe Verpflichtungen in England.»
    «Wir wären Ihnen verbunden», sagte der Superintendent, mit Bedacht seine Worte wählend, «wenn Sie Ihre Abreise aufschieben würden. Nur bis wir die Untersuchung abgeschlossen haben. Eine reine Formalität.»
    Sie glaubten doch nicht etwa, dass sie …? Nein. «Natürlich», erwiderte Addie. «Aber das wird gar nicht nötig sein. Ich bin überzeugt, dass meine Cousine bald wieder da ist.»
    «Hoffen wir es, Miss Gillecote.» Der Superintendent hielt höflich die Zeltklappe, um sie hinauszulassen. «In der Zwischenzeit halten Sie uns über Ihre Pläne auf dem Laufenden.»

Kapitel  24
New York, 2000
    A ußerhalb seines natürlichen Umfelds hatte der Marquis noch mehr Ähnlichkeit mit Hugh Grant.
    Nein, nicht der Marquis. Tony. Als Clemmie sich im Oak Room mit ihm getroffen hatte, hatte er sie gebeten, ihn Tony zu nennen wie seine Freunde. Es war ungewohnt, nicht als Marquis, sondern schlicht als Tony an ihn zu denken. Paul wäre entsetzt.
    Aber Pauls Reaktion brauchte sie jetzt nicht mehr zu kümmern. Seit gestern nicht mehr.
    Sie hatten es geschafft, zwei russischen Geschäftsleuten und ihren Begleiterinnen einen kleinen runden Tisch beim Fenster wegzuschnappen, wo sie unter sich waren.
    «Ist es Ihnen hier recht?», fragte Tony. Die eigenwillige Frisur mit der buschigen Haartolle, die ihm in die Stirn fiel, verlieh ihm etwas trügerisch Jungenhaftes, was mit dem korrekten dunkelblauen Anzug und seiner natürlich wirkenden Wohlerzogenheit in Widerspruch stand. Seine Augen waren so warm und braun, wie sie sie in Erinnerung hatte. Herzlich. Sie konnte gerade jetzt ein wenig Herzlichkeit gebrauchen.
    «Wunderbar.» Vielleicht würde sie den Enthusiasmus, den sie vortäuschte, mit der Zeit wirklich empfinden. Im Augenblick fühlte sie sich wie betäubt.
    Sie war gestern erst nach Mittag zur Arbeit gegangen. Sie war einfach liegen geblieben, ohne sich von ihrem Wecker und dem Licht, das durch die vorhanglosen Fenster fiel, stören zu lassen. Mit dem Kissen über dem Kopf hatte sie in dem grauen Zustand zwischen Schlafen und Wachen verharrt, nicht so sehr, weil sie müde war, sondern weil sie keine Lust hatte aufzustehen, weil nichts sie aus dem Bett gelockt hatte.
    Mit ihrer Mutter redete sie nicht, sie hatte Jon nicht zurückgerufen, sie hatte keine Großmutter mehr, und in der Kanzlei hatte man ihr gerade klipp und klar gesagt, dass sie nicht mehr dazugehörte. Sicher, sie bezahlten sie noch.

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