Ashford Park
und Literatur studieren», sagte er und zwirbelte eine Strähne ihrer Haare, wie bei einem Kind. «Ich könnte Sie mir gut als Frau Professor im schwarzen Talar vorstellen.»
Sie hasste es, wenn er das tat. Wenn er sie erst wie eine Erwachsenen behandelte, eine Frau, die Bewunderung verdient hatte, im nächstem Moment jedoch so tat, als wäre sie irgendjemandes kleine Schwester, die man unter dem Kinn kraulte und an den Haaren zupfte. Es trieb sie noch in den Wahnsinn.
«Ich wäre gern auf die Universität gegangen», erwiderte sie, «aber Tante Vera hätte das nie geduldet.»
Außerdem hatte Bea sie gebraucht. Sie konnte sich gut erinnern, wie dünn und blass Bea nach Poppys Beerdigung gewesen war.
«Und müssen Sie sich denn immer nach Ihrer Tante Vera richten?»
«Sie bezahlt meinen Unterhalt», erklärte Addie pragmatisch. «Genauer gesagt, bezahlt ihn Onkel Charles, aber das ist praktisch das Gleiche.»
«Und Sie haben ihnen immer noch nichts von der
Bloomsbury Review
gesagt?»
«Nein», sagte Addie gedehnt. «Es war nie Gelegenheit dazu.» Die einzigen Zeitschriften, die Tante Vera las, waren der
Tatler
und das
Court Circular
. Zum Glück.
«Wenn Sie möchten …», sagte Frederick nachdenklich. «Ich habe noch ein paar alte Freunde in Oxford. Einer von ihnen könnte vielleicht mal mit der Dekanin vom Somerville College sprechen, ein gutes Wort für Sie einlegen.»
Addie kaute auf der Unterlippe. Zwar hielt Frederick sie offenbar für eine geeignete Kandidatin, aber sie wusste die Wahrheit, dass sie praktisch keinen Schulunterricht gehabt und sich ihr ganzes Wissen in der Bibliothek in Ashford angelesen hatte. Den Gouvernanten war es gemäß Tante Veras strengem Gebot immer wichtiger gewesen, den Kindern solche gesellschaftlichen Feinheiten beizubringen wie die richtige Tischordnung bei einem Festessen im Palast des Viceroy of India.
Doch das konnte Addie Frederick nicht sagen, wo doch gerade seine gute Meinung ihr so viel bedeutete. Er hatte am Balliol College in Oxford studiert und, auch wenn er selbst ihr das nicht erzählt hatte, sein Geschichtsstudium mit Bestnote abgeschlossen. Wie konnte sie ihm da ihre lückenhafte Bildung eingestehen?
«Vielleicht später», sagte Addie und merkte genau, wie lahm das klang. «Ich möchte nicht gerade jetzt von der Zeitschrift weg, wo sich alles so gut anlässt. Und London fängt gerade an, mir zu gefallen.»
«Na schön», sagte er. «Hauptsache, es ist Ihre eigene Entscheidung und nicht die von Tante Vera.»
«Auf jeden Fall», versicherte sie. «Mit der Arbeit bei der
Review
ist es mir wirklich ernst. Ich kann langsam selbst etwas beitragen.» Mit ernster Miene schaute sie zu ihm hinauf. «Das ist ein heilloses Durcheinander dort, Frederick. Unbeschreiblich.»
Sein Mund zuckte. «Ich glaube, ich kann es mir vorstellen.»
«Nichts ist jemals an dem Ort, wo es sein sollte. Die Lieferantenrechnungen fliegen zwischen den Korrekturfahnen herum. Wir nennen uns Monatszeitschrift, aber die letzte Ausgabe ist vor sieben Wochen herausgekommen.»
«So überraschend ist das gar nicht», meinte Frederick, als er ihr in einen der kleineren, weniger fürstlichen Salons folgte. «Diese Zeitschriften kommen und gehen.»
«Aber unsere nicht», widersprach Addie entschieden. «Nicht, wenn es nach mir geht.»
Ihre Vorstellungen von Literatur waren, wie ihr von den übrigen Mitarbeitern erklärt worden war, entsetzlich antiquiert, doch sie hatte ein ganz unerwartetes Organisationstalent an sich entdeckt. Sie mochte den Fauxpas begangen haben, Tennyson vor Brooke den Vorzug zu geben, doch nach ihrem revolutionären Einfall, Druckereirechnungen in einem Fach zu sammeln und eingehende Aufträge in einem anderen, war sie mit Champagner in angeschlagenen Keramikbechern als große Wundertäterin gefeiert worden. Sie hatte, zaghaft zunächst, eigene Vorschläge präsentiert, wie die Zeitschrift in Schwung gebracht werden könnte, etwa durch die Annahme von Reklame im Magazin, die zusätzliches Geld einbringen würde, oder durch Plakate an den Universitäten, um die Auflage zu erhöhen. Die meisten ihrer Vorschläge trafen auf taube Ohren, Philosophie war wichtiger als praktisches Denken, doch sie begann schon eigene Pläne zu entwerfen, um sie durchzusetzen.
«Das klingt ja sehr kämpferisch», sagte Frederick amüsiert.
«Wirklich? Tut mir leid, das war nicht beabsichtigt. Ich wünsche mir nur so sehr, dass es etwas wird, mit der Zeitschrift, meine ich.»
Er schob einen
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