Ashford Park
gähnend langweilig.
Der Saphirring schlug klirrend an das Glas, als Bea ihr einen Drink reichte. Zögernd nahm ihn Addie entgegen, er roch stark nach Gin. Leise stellte sie das Glas auf die Marmorplatte eines vergoldeten Tischchens.
Bea trank einen herzhaften Schluck aus ihrem eigenen Glas. «Haben Sie beide heute Abend schon etwas wahnsinnig Aufregendes vor? Nein? Dann müssen Sie mich begleiten. Erst ins Claridge’s, dort steigt ein großes Fest, und dann weiter ins Golden Calf. Es würde mich wundern, wenn Sie nicht davon gehört haben, Mr. Desborough?»
«Ich dachte, es hätte geschlossen», sagte Frederick.
«Es ist das
neue
Golden Calf», erklärte Bea. «Ein bisschen sehr biblisch, nicht? Erst schlachten sie das gemästete Kalb und lassen es dann wiederauferstehen. Oder bringe ich da etwas durcheinander? Es ist alles streng geheim, mit Klopfzeichen und dunklen Vorhängen und so weiter. Sie müssen einfach mitkommen.»
«Ich weiß nicht …», begann Addie, die plötzlich die Sprache wiederfand.
«Sei kein Frosch. Es ist fabelhaft. Und ich habe auch ein Kleid für dich, das dir bestimmt wie angegossen passt.»
«Aber nur, wenn du es an den Knien abschneidest», protestierte Addie.
Bea wedelte den Einwand mit einer Handbewegung weg, dass der Gin aus ihrem Glas spritzte. «Ich bin viel zu nachlässig gewesen. Ich habe schließlich auf dich aufzupassen, ich hätte zusehen müssen, dass du mehr ausgehst, und damit meine ich keine Vorträge.»
«Du brauchst doch nicht auf mich aufzupassen», entgegnete Addie. Sie versuchte, einen Blick von Frederick zu erhaschen, aber es gelang ihr nicht. «Wir sind kaum ein Jahr auseinander.»
«Still, Kind.» Bea kippte den Rest ihres Drinks hinunter. «So spricht man nicht mit älteren Damen. Es wird Zeit, dass ich mich um deine gesellschaftliche Erziehung kümmere.» Über den Rand ihres Glases hinweg warf sie Frederick einen Blick zu, der unter den tief geschwärzten Wimpern hervor umso theatralischer wirkte. «Vor allem, wenn du dich mit derart dekadenten Leuten einlässt.»
«Nun, ihren Schützling ins Golden Calf zu führen, entspricht doch wohl nicht gerade den Aufgaben einer Erzieherin», bemerkte Frederick.
Bea nahm den Mixbecher vom Barwagen und schenkte ihm nach. «Ganz im Gegenteil, Mr. Desborough. Es gehört zu den Aufgaben einer guten Erzieherin, ihren Schützling auf
alle Eventualitäten
vorzubereiten.»
Addie verstand nicht, warum sie die zwei Wörter am Ende so betonte. Sie spürte Unterströmungen und Strudel, ohne zu begreifen, was sie bedeuteten. Als sie den Blick hob, sah sie Fredericks Augen auf sich gerichtet.
«Auf die Reinheit», sagte er leise. «Auf alles, was rein ist.»
Sie wurde rot, ohne zu wissen, warum. «So weltfremd bin ich auch wieder nicht», protestierte sie und griff nach ihrem Glas.
«Wirklich nicht, Liebes?», fragte Bea zerstreut und berührte Frederick leicht am Arm. «Ach, seien Sie ein Engel und holen Sie mir mein Zigarettenetui, ja? Ich habe es auf der Chaiselongue im Ostzimmer liegengelassen. Das wäre sehr lieb von Ihnen.»
«Immer zu Ihren Diensten», sagte Frederick in schleppendem, blasiert klingendem Ton. Mit Addie sprach er immer ganz anders.
Sie sah ihre Cousine verständnislos an. Beas Zigarettenetui lag deutlich sichtbar neben dem Grammophon. «Warum hast du das getan?»
Völlig unbekümmert klappte Bea das Etui auf, zog eine ihrer türkischen Zigaretten heraus und klopfte sie auf ihren Handrücken, bevor sie sie in die lange Ebenholzspitze schob. «Das also nimmt deine Zeit in Anspruch, Herzchen?»
«Nicht nur», sagte Addie ausweichend. Sie hatte auch Bea nichts von der
Bloomsbury Review
erzählt. Nicht dass sie ihr nicht vertraute, aber Bea ging bisweilen ein bisschen weit in ihrer Überschwänglichkeit. Und manchmal verbarg sich ein Stachel darunter, besonders wenn sie unglücklich war, so wie jetzt. «Aber auch. Erinnerst du dich nicht an Mr. Desborough? Er hat damals Binky gerettet.»
Einen Moment lang sah sie Bea verständnislos an. Dann begann sie zu lachen. «Du lieber Gott, diese alberne Maus.» Sie hustete, aber sie schien plötzlich wieder ganz die Alte zu sein. «Hast du Mutters Gesicht jemals vergessen?»
«Nein.»
Ohne das affektierte Gehabe war Bea wieder wie früher. Nur dass sie entsetzlich müde aussah. Addie musste daran denken, wie sie nach Poppys Tod ausgesehen hatte, ausgezehrt, obwohl sie es zu verbergen suchte.
Vorsichtig berührte Addie Beas Handgelenk. «Ist etwas nicht
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