Ashton, der Heißbluetige
,,'türlich nicht! Sie ist die Maienkönigin. Sie ist im Wald, Blüten pflücken . ..“
Mit einem unverständlichen Laut stieß Ash Phillip in seinen Sitz zurück. Rhiannon war alleine im Wald, nachdem jemand nur ein paar Tage zuvor ein Messer nach ihr geworfen hatte. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und eilte fort.
14. Kapitel
Die Nacht war zu schön, um nach Hause zu gehen, und es gab niemanden, mit dem sie nach Hause hätte gehen können, doch am allerwichtigsten war, dass Rhiannon nicht wusste, welcher Weg nach Hause führte. Der Korb, der an ihrem Arm hing, stieß beim Gehen gegen ihre Hüfte. Der Waldboden wurde nur vom schwachen Licht des Mondes erhellt, und in den aufsteigenden Nebelschwaden konnte sie keine bekannten Landschaftsmerkmale ausmachen.
Sie zögerte und blieb dann stehen. Vielleicht hätte sie auf dem Marktplatz bleiben und jemanden suchen sollen, der ihr half, Edith nach Hause zu bringen.
Aber sie war die Maienkönigin, die jungfräuliche Maienkönigin, und die jungfräuliche Maienkönigin verbrachte die Beltanenacht immer, immer damit, Weißdornblüten für ihre Krone zu sammeln.
Natürlich ging die Maienkönigin immer mit dem Wissen in den Wald, dass der Maikönig ihr dicht auf den Fersen war. Nach altem Brauch wehrte die Maienkönigin dann die Nacht über die Annäherungsversuche des Königs ab, so dass sie am nächsten Tag, wenn sie mit den reinen weißen Blüten des Weißdorns gekrönt wurde, das Wissen, dass sie ebenso rein war, davon abhielt zu erröten. Und das war wichtig.
Oder etwa nicht?
Nicht, dass Phillip sie jemals zu heißblütig oder zu nachdrücklich bedrängt hatte. Schließlich war er ein Gentleman.
Auf der anderen Seite wiederum waren sie in den vergangenen Jahren, als sie Königin und er König gewesen waren, nicht verlobt gewesen. Heute Nacht hätte Phillip vielleicht seiner Werbung Nachdruck verliehen, und sie, verwirrt von unbekannten Bedürfnissen, hätte sich möglicherweise empfänglich gezeigt. Doch dann war er gestürzt und hatte sich seinen Knöchel verstaucht.
Sie blickte verstimmt zu Boden. Dass es dem König unmög-lich war, seiner Aufgabe nachzukommen, bedeutete unglücklicherweise nicht, dass sie ebenfalls ihrer Pflichten enthoben war. Und, bei der heiligen Jungfrau, sie hatte ihre Sache hervorragend gemacht. Über hundert von den verflixten Blüten füllten ihren Korb.
Als ihr klar wurde, dass sie eben geflucht hatte, runzelte Rhiannon die Stirn. Sie war eine gute, eine anständige junge Dame. Das war sie immer gewesen, seit sie in Fair Badden angekommen war. Aber in letzter Zeit war ihr nicht sonderlich nach „gut“ oder „anständig“ zu Mute.
Sie verstand nicht ganz, was mit ihr geschah. Sie schien immer gereizt zu sein. Der Zwang, dauernd „gut“ zu sein, hatte begonnen, anstrengend zu werden - sogar wenn es um Edith Fraiser ging. Nur in Ash Merricks Gesellschaft fühlte sie sich wirklich wohl.
Vielleicht lag es daran, dass sie ihm nichts schuldete, keine Dankbarkeit, keinen Gehorsam. Nicht, dass sie ihr Leben hier nicht liebte, Edith Fraiser und all ihre Freunde, aber manchmal war es schwierig, zwischen Liebe und Pflicht zu unterscheiden. Bei Ash konnte sie sich . . . ungezwungener geben.
Und der Versuchung erliegen, unvorstellbar dumme Sachen zu machen.
Mit einem Stöhnen schloss Rhiannon die Augen. Sie hätte niemals geglaubt, dass sie zu derart unerhörtem Benehmen fähig wäre. Ash Merrick war ihr stets nur mit Ritterlichkeit und Höflichkeit begegnet - sogar in seinem Kuss. Im Gegenzug hatte sie ihn wie einen gesuchten Verbrecher jagen, binden und vor sich zerren lassen. Zum krönenden Abschluss war sie vor seinen Augen betrunken zusammengebrochen. Wie musste er sie verabscheuen!
Sie hastete weiter, als könnte sie so der Erinnerung entfliehen, und die Schamröte stieg ihr in die Wangen. Sie hatte ein gutes Stück zurückgelegt, als plötzlich von der einen Seite die gedämpften Laute eines Liebespaares zu ihr drangen.
Die Geräusche ließen sie im Schritt verharren, wie von einer unsichtbaren Mauer aufgehalten. Sie strengte ihre Ohren an, lauschte und schwankte leicht, da die Wirkung von Ediths Kleewein noch nicht völlig verflogen war. Sie konnte nichts erkennen. Dunkelheit und Nebel verhüllten die beiden Gestalten, die diese seltsamen Laute erzeugten.
Sie wagte es nicht, weiterzugehen und in ein Stelldich-
ein zu stolpern. Was, wenn die beiden Margaret Atherton und . ..
Sie drehte sich auf dem Absatz um, wovon
Weitere Kostenlose Bücher