Ashton, der Heißbluetige
das altbackene Brot nahm, brach und in den Hammeleintopf tunkte, bevor sie es sich in den Mund steckte.
Sie atmete zu rasch, aß zu hastig, und der Wein, mit dem sie die Brotstückchen herunterspülte, brannte in ihrer Kehle.
Die alten Erinnerungen vermischten sich mit der Gegenwart.
Hunger. Unerträglicher, quälender Hunger. Sie hatte seit Tagen nichts gegessen. Nichts außer Wasser und Beeren. Sie hatten sich nicht getraut, einen Hasen zu fangen und ein Feuer anzuzünden. Die Rotröcke würden sie sonst entdecken.
Furcht und Flucht. Verfolgt, gejagt über holperige Landstraßen, zu Fuß in der Nacht. Der höhnische Mond machte mit seinem klaren Licht das Überqueren der Felder zu einem Selbstmordversuch. Sie hatten sich in die Straßengräben geduckt, während die Soldaten vorüberritten und ihre Clansleute jagten, all jene, die dem Ruf der McClairen gefolgt waren. Der Geruch von Schießpulver und Blut. Männerschreie. Die hoch aufragenden Berge. Die Highlands.
Sie starrte mit wildem Ausdruck auf den Fremden mit den kalten Augen, der ihr gegenübersaß. Er brachte sie dorthin zurück.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie hörte ein Rauschen, das langsam lauter wurde und die Stimmen der anderen übertönte. Ihre Umgebung verschwamm vor ihren Augen, und sie starrte ihn an. Blass wie der verräterische Mond, kühl wie eine Nacht im Hochland, schön und erbarmungslos. Sie erhob sich zitternd, umklammerte die Kante des Tisches, während sich alles in einem atemlosen Wirbel um sie zu drehen begann . . .
Ash löschte die Kerze, indem er den Docht zwischen Daumen und Zeigefinger nahm, und tauchte den Raum in Dunkelheit, bis auf das schwache Mondlicht, das durch das Fenster fiel und die auf dem Bett schlafende Frau einhüllte.
Sie war vor Stunden ohnmächtig geworden und seitdem nicht mehr zu sich gekommen. Er hatte Ähnliches bei Gefangenen beobachtet, die zu lange ohne Essen hatten auskommen müssen und dann endlich etwas vorgesetzt bekamen.
Er hatte es auch am eigenen Leib erfahren, in seiner ersten Nacht in Freiheit nach der französischen Kerkerhaft. Eine Falte erschien auf seiner Stirn. Unter Gefangenen mochte so etwas häufiger geschehen, aber nicht bei wohlerzogenen jungen Damen. Nicht, dass er über sonderlich viel Erfahrung mit ihrer Art verfügte.
Rhiannon hatte die schreckliche Brühe verschlungen, als wäre es ihr erstes Mahl seit einem ganzen Monat. Und als sie aufgestanden war, stand ihr entsetzliche Angst ins Gesicht geschrieben, eine viel größere, schlimmere Angst als jene, die ihre Züge verraten hatten, als er sie von Watt fortgebracht hatte.
Er zog einen Stuhl zu der schmalen Bettstatt, setzte sich darauf und musterte sie eindringlich. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und ihr Atem ging im Schlaf leise säuselnd. Sie war nicht nur restlos erschöpft, nein, sie war auch völlig verängstigt.
Das war natürlich sein Verdienst. Er hatte sie zu weit getrieben. Er hätte das früher erkennen müssen, aber sie hatte sich so unerschrocken gegeben, und er kannte sich mit Angst nicht sonderlich gut aus, da er schon vor langer, langer Zeit Furcht gegenüber unempfindlich geworden war. Trotzdem hatte er einen Anflug davon früher am heutigen Tag verspürt, als er gesehen hatte, was mit dem Hund angestellt worden war, und er begriffen hatte, dass jemand Rhiannon in eine Falle hatte locken wollen. Und später, als sie aus dem Dickicht geritten waren und Watt so unbeschwert auf sich zukommen sahen, hatte ihn die Angst mit voller Wucht erfasst.
Er streckte die Hand aus und zog seinen Rock ein Stückchen höher, so dass er sie bis über den Hals bedeckte, wobei er darauf achtete, ihr kleines Kinn zu streicheln. Ein so zartes und doch so stolzes Kinn . . .
Jäh richtete er sich auf und strich sich das schwarze Haar ungeduldig aus der Stirn. Was, zum Teufel, sollte er nur tun?
Er konnte sie nicht nach Fair Badden zurückkehren lassen, damit sie dort umgebracht wurde, und ihr Tod war genau das, was er hätte fürchten müssen, hätte er sie unter Watts zweifelhaftem Schutz zurückgelassen. Zugegeben, Watts Grund dafür, Rhiannon zu töten, entzog sich ihm. Ihn stellte die Erklärung, dass dessen Beweggründe allein in seiner Abneigung einer Ehe gegenüber zu finden waren, nicht zufrieden - und doch schienen die Anschläge auf ihr Leben mit ihrer Verlobung begonnen zu haben. Nichts sonst hatte die Stellung, die sie seit zehn Jahren in Fair Badden einnahm, geändert oder zu ändern gedroht.
Aber Watt
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