Ashton, der Heißbluetige
überschreiten müssen, um wieder zu der Welt zu erwachen, die sie hinter sich gelassen hatte, einer Welt voller Tücke, Verzweiflung und Verrat.
Sie stemmte sich gegen seinen Griff, und er ließ sie los. Sie fiel zurück auf das Bett und stützte sich auf ihren Armen ab.
„Ist es das, was Ihr glaubt?“ flüsterte er.
„Was denn sonst?“ spie sie ihm entgegen. Jetzt war sie nicht halb tot vor Müdigkeit, nicht in einem Labyrinth entsetzlich lebendig gewordener Erinnerungen gefangen. Sie wusste, wo sie war, was sie tat. . . was ihr angetan wurde. Sie hatte schon einmal gekämpft und überlebt. Sie würde wieder kämpfen.
„Ich bringe Euch zu meinem Vater, um zu verhindern, dass Ihr umgebracht werdet.“
„Ihr seid zu gütig.“ Sogar noch als sie ihn verhöhnte, wollte ein irregeführter Teil ihres Wesens von ihm überzeugt werden, dass er selber glaubte, was er da sagte. Aber er war weder verrückt noch fehlgeleitet. Er war einfach ein Teufel.
Er sparte sich die Mühe einer Antwort.
„Ich weiß nicht, was Ihr Euch davon erhofft, dass Ihr mir das erzählt“, sagte sie trotz allem. „Warum sollte mich jemand verletzen oder gar umbringen wollen? Warum sollte Phillip mich umbringen wollen?“
Er wich ihrem Blick aus, und sie nahm die unwillkürliche
Geste mit der bitteren Überzeugung zur Kenntnis, dass er nun lügen würde. „Watt wollte diese Hochzeit nicht. Er weiß selbst vielleicht gar nicht, warum er sich mit Euch verlobt hat. Vielleicht hat sein Vater ihn dazu gezwungen, und er hat keinen anderen Ausweg gesehen.“
Sie lachte. „Wollte diese Hochzeit nicht? Ich bin gestern zu ihm gegangen, um ihm zu gestehen, was ich getan hatte. Er wollte es nicht hören, obwohl aus dem, was er im Wald gesagt hat, klar wurde, dass er vermutete, worum es ging. Ist das die Vorgehens weise eines Mannes, der auf der Suche nach einem Weg ist, seine Hochzeit abzuwenden?“
„Ihr wolltet es Watt sagen? Warum?“ Er klang erstaunt. „Ihr habt mich doch gebeten, ihm nichts zu verraten.“ „Natürlich.“ Sie sprach durch zusammengebissene Zähne. „Weil ich fürchtete, Ihr würdet es ihm auf eine Art und Weise sagen, die ihm keine andere Wahl ließe, als Euch zu fordern
- genau wie Ihr es dann getan habt. Ihr habt es ihm auf die grausamste Art mitgeteilt. Ich hätte niemals ruhigen Gewissens ins Ehebett steigen können, in dem Wissen, dass die Lüge in Kürze aufgedeckt würde. Und ich hätte ihn nie so hintergangen. Aber Ihr könnt das ja nicht verstehen, nicht wahr, Lord Janus?“
Ein Zusammenzucken? Viel eher ein Versuch, seine Erheiterung zu unterdrücken.
„Ganz und gar nicht“, erwiderte er. „Ich wollte Euch anweisen, Euch - sobald er schlief - in den Finger zu stechen und Eure Schenkel mit Blut zu beschmieren.“
Sie fühlte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich, wie ihre Haut eiskalt wurde, aber sie war jetzt stärker. Sie überging seine Grobheit.
„Was ich wirklich gerne wüsste, ist, warum Ihr Euch überhaupt die Mühe gemacht habt, Euch diese erbärmliche Geschichte auszudenken“, entgegnete sie. „Ich möchte doch meinen, ein Mann von Euren Begabungen hätte sich gewiss eine bessere Geschichte einfallen lassen können.“ Ihre Lippen verzogen sich verächtlich, sowohl seinet- als auch ihretwegen. „Genau genommen, warum eigentlich diese ganze Räuberpistole um Mordanschläge? Ich will sagen, Ihr habt doch bereits diesen verfluchten Brief, der Euch zu meinem stellvertretenden Vormund erklärt, nicht wahr?“
Sie versuchte in der Dunkelheit in seiner Miene zu lesen, zu sehen, ob sie irgendwo eine menschliche Saite in den unmenschlich reglosen Zügen angeschlagen hatte. Alles, was sie erkennen konnte, war Mondlicht, das auf seinem schwarzen Haar schimmerte.
„Ihr brauchtet doch in Wirklichkeit gar keine Ausrede, um mich fortzubringen, nicht wahr?“ hakte sie nach.
„Nein“, antwortete er schließlich mit seiner kühlen, ausdruckslosen Stimme.
Sie konnte seinen Atem hören, das leise Luftholen, leicht und ganz gleichmäßig, so als steuere er es bewusst.
„Und wenn Ihr nicht vorhabt, mir Gewalt anzutun - und dass wir uns da nicht missverstehen, das ist die einzige Art und Weise, wie Ihr jemals wieder Eure Lust zwischen meinen Beinen stillen werdet -, was wollt Ihr dann?“ Mit bitterer Befriedigung vernahm sie sein scharfes Einatmen. Ob aus Schmerz oder Verärgerung, das machte für sie keinen Unterschied, solange es ihr nur gelang, ihn aus der Fassung zu bringen.
Sie wartete
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