Asmoduin: Die Nervensäge kehrt zurück (German Edition)
»Ich, äh … Wo denn sonst?«
Asmoduin entfernte sich ein Stück, ein Auge noch immer zugekniffen, als müsste er überlegen, ob er mir zur Strafe für meine Unverschämtheit nicht doch noch den Kopf von den Schultern reißen sollte. Aufgrund seiner geringen Körpergröße und seines ausladenden Bauches wirkte er dabei allerdings weit weniger bedrohlich, als er es sich wahrscheinlich erhoffte.
Er deutete auf die Wand zum Bad. »Ich werde in eurem Kühlbottich nächtigen. Ohne Füllung, versteht sich.«
Es dauerte mehrere Sekunden, bis ich begriff, dass er von der Badewanne sprach. Bei seinem letzten Besuch hatte es ihn mehrfach mitten in der Nacht danach verlangt, ein Bad zu nehmen. Obwohl das eingelassene Wasser brühheiß gewesen war, hatte er sich stets beschwert, dass aus unseren Leitungen nur lauwarme Brühe käme.
»Du willst in der Badewanne schlafen? Aber wenn Mom heute Nacht von der Spätschicht kommt und sich die Zähne putzt, wird sie dich doch sehen!«
Ohne Vorankündigung, von einer auf die andere Sekunde, war Asmoduin verschwunden.
»Was zum …? Wo bist du hin?«
»Schon vergessen, Schwabbel?«, ertönte seine Stimme aus dem Nichts. »Wir Baal wissen uns vor den Blicken neugieriger Oberweltler zu verbergen. Und da ich zur Abwechslung mal nicht unter einem von dir gewirkten, saublöden Bann stehe, kann ich sogar dafür sorgen, dass
du
mich nicht siehst.«
Als hätte man einen Lichtschalter angeknipst, tauchte Asmoduin wieder auf – in der entferntesten Ecke des Zimmers, auf meiner Gerümpeltruhe.
»Capito?«
Ich nickte. »Kein schlechter Trick. Hat irgendwas mit heißer Luft zu tun, richtig?«
Asmoduin sah mich überrascht an. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich seinem ständigen Gefasel Beachtung schenkte.
»Exakt! Mithilfe der Hitze in unserem Körperinneren können wir die Luft um uns herum so stark aufheizen, dass sie die Wellen des Lichts um uns herumlenkt.«
»So was kann heiße Luft?«
Der Höllenspross rollte die Augen. »Schon mal was von Fata Morganas gehört? Dabei spiegelt dir heiße Luft etwas vor, das gar nicht da ist. Unser Sichtschild arbeitet genau andersherum: Er tarnt etwas, das sehr wohl vorhanden ist – vor wem und wann immer wir wollen.«
»Und das funktioniert sogar, während du schläfst?«
Asmoduins Augen begannen erneut zu funkeln. »Das wirst du sehr bald wissen, Schwabbel. Solltest du heute Nacht vom panischen Kreischen deiner Mutter aus dem Schlaf gerissen werden, weißt du, dass es nicht geklappt hat.« Mit diesen Worten stolzierte er an mir vorbei durch die Tür und verschwand im Flur Richtung Bad.
Sekundenlang starrte ich ihm wortlos nach. Dann ließ ich mich kraftlos aufs Bett sinken.
Und heute Vormittag hatte ich noch geglaubt, eine Sechs in Mathe wäre das Schlimmste, was mir passieren konnte!
KAPITEL 4
in dem ein Schultag mindestens so chaotisch verläuft wie befürchtet
Um es kurz zu machen: Ich wurde
nicht
durch Moms gellendes Geschrei geweckt, geschweige denn durch etwas anderes. Asmoduins Sichtschild schien auch im Schlaf zuverlässig zu funktionieren, und erstaunlicherweise schlummerte der junge Teufel bis zum Morgen durch. Vielleicht hatte er zur Abwechslung ja die Wahrheit gesagt, und die körperlose Teleportiererei zwischen Hel und der Erdoberfläche war tatsächlich anstrengend.
Als ich am Morgen schlaftrunken ins Bad wankte, lag er jedenfalls noch in der Wanne, zusammengerollt wie ein Gürteltier, schnarchend wie ein Kamel mit Heuschnupfen. Kurz befiel mich von Neuem Panik. Mom musste der unnatürliche Geräuschpegel beim Duschen aufgefallen sein!
Doch dann erinnerte ich mich, dass Asmoduin offenbar auch über eine Art akustischen Filter verfügte. Bei seinem letzten Besuch hatte er in Zimmerlautstärke mit mir reden können, ohne dass Mom oder sonst jemand etwas davon mitbekam. Ich nahm mir vor, ihn bei Gelegenheit nach der Funktionsweise dieses Tricks zu fragen, absolvierte eine rasche Katzenwäsche und begab mich in die Küche, wo Mom, wie üblich in Hektik, schon das Frühstück vorbereitet hatte.
»Ich komme heute Mittag nicht heim«, verkündete sie nach einem raschen Morgengruß. »Mrs Holter ist krank, ich habe für sie die Tagesschicht übernommen. Im Eisfach sind Gefrierpizzen. Mach dir selbst Mittagessen, ja?«
Ich nickte. Seit der Trennung von Dad übernahm Mom im Pflegeheim jede Schicht, die sie kriegen konnte. Ich wusste, dass sie unter anderem deswegen so viel ackerte, weil sie mir das bieten wollte,
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