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Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Titel: Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wunder
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mit Wachbleiben beschäftigte.
    Die Assassine schreckte aus dem leichten Schlaf hoch, der sie übermannt hatte. Lautlos sprang sie aus dem Bett. Sie ärgerte sich über ihre Nachlässigkeit, eingenickt zu sein. Dem Licht, das durch die Fensterläden in die Kammer fiel, entnahm Ari, dass es bereits später Nachmittag war. Sie stand auf und öffnete die Fensterläden gerade so weit, dass sie einen guten Blick über das Treiben unter ihr hatte. Der süßliche Geruch von verbranntem Fleisch drang ihr indie Nase. Es schneite nun stärker und ganz Donnerstein war bereits mit einer handbreiten Schneeschicht überzogen. Sie sah kurz zu, wie die Schneeflocken zu Boden taumelten. Die Luft war kalt. Ari schloss für einen Moment die Augen und genoss die angenehme Kühle auf ihrem Gesicht und ihren Händen.
    Laut gerufene Befehle rissen sie aus ihren Gedanken. Sie drehte den Kopf in die Richtung, aus der der Lärm kam. Wieder wurde ein neuer Scheiterhaufen errichtet. Viele Bewaffnete standen dort und riegelten den Platz um den Berg aus menschlichen Leibern ab. Widerliche Hofschranzen und Speichellecker des niederen Adels amüsierten sich bei einer Stehgesellschaft und stopften unkontrolliert Fleisch und Kuchen in sich hinein. Wer nicht gerade fraß, hatte seine Nase tief in einem Weinkelch. Ein wahrer Hohn, wenn man die Armut ringsherum betrachtete. Es wurde laut und künstlich gelacht, wenn ein in ihren Augen einflussreicher Mensch einen schlechten Witz riss. Ari verabscheute diesen Teil der Gesellschaft zutiefst, diese Neureichen und die, die es werden wollten und sich ihren Weg in die oberen Schichten erkauften, erhurten oder mit sonstigen unlauteren Mitteln erschleichen wollten. Das war der wirkliche Abschaum des Volkes.
    Ari lächelte kalt, denn sie wusste nur zu gut, dass es solche Subjekte leider überall und zu jeder Zeit gab; auch bei den Enrai waren die Machtspielchen dieser besonderen »Spezies« an der Tagesordnung gewesen. Nur waren deren Aufstiegsversuche und Intrigen nicht so tölpelhaft und plump gewesen wie bei den Menschen. Ihre Miene wurde wieder ernst, als sie gewahr wurde, warum diese Menschenmenge sich dort eigentlich versammelt hatte. Sie öffnete die Läden nun ganz, um einen besseren Blick auf die Szenerie zu erhalten. Einige Wachen schleppten einen zerlumpt aussehenden Mann in Ketten heran und zerrten ihn auf den Scheiterhaufen. Anscheinend sollte er bei lebendigem Leib verbrannt werden. Weiter hinten teilte sich die Menge aus Neureichen und gemeinem Pöbel und noch mehr, besser ausgerüstete Männer in glänzenden Brustpanzern und federgeschmückten Vollvisierhelmen betraten den Platz.
    Das könnte die persönliche Leibgarde von Anzbacher sein, fuhr es Ari durch den Kopf. Ihre Rüstungen waren mit Goldblechen beschlagen und ihre großen Eineinhalbhänder waren aus dem besten Stahl geschmiedet, soweit sie das auf die Entfernung beurteilen konnte. Wer sich nicht schnell genug bewegte, wurde zur Seite gestoßen oder bekam einen Hieb mit der flachen Seite des Schwertes verpasst. »Wenn der kleine Mann sich aufs Pferd schwingt, wird er vom Teufel geritten.« Ari lächelte bitter ob des alten Spruches ihres Volkes, der ihr gerade eingefallen war – als sie das pompöse Auftreten von Anzbacher sah. Dieser wurde auf einer Sänfte durch die Reihen getragen. Sie erkannte ihren früheren Auftraggeber sofort wieder. Nur die Gewandung war noch edler und sein Auftreten noch dekadenter und exzentrischer, als sie ihn inErinnerung hatte. Sein mit Brokat und Perlen verziertes Fortbewegungsmittel wurde von zwölf bildschönen, nackten Frauen getragen. In den Gesichtern der Sklavinnen konnte die Assassine unendlichen Schmerz und Leid erkennen.
    Die ganze Szene war merkwürdig unwirklich. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ari schwang sich aus dem Fenster, kletterte behände und ohne ein Geräusch zu machen mit der Sicherheit einer Spinne die Fassade hinunter und mischte sich unter die Wartenden. Der Gestank der Verwesung und der Krankheit hing überall in den Gassen, und die Leute, von denen dieser Geruch stammte, waren allesamt von der Seuche gezeichnet. Sie drängte sich in die Menge und suchte sich einen Platz, von dem aus sie gut beobachten konnte, aber selbst nur schlecht zu sehen war. Eine Hausecke mit einer kleinen Laterne davor eignete sich hervorragend dafür. Vor der Dunklen stand ein Mann, der deutliche Anzeichen der Krankheit trug. Der Gestank war ekelerregend und raubte einem den Atem. Als der Gezeichnete sich

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