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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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befand. Die kunstvollen Stuck Verzierungen waren teilweise abgebröckelt. Ein riesenhafter, ziemlich abgenutzter Teppich in der ungefähren Größe von Atlantis, aber eindeutig älter, bedeckte den größten Teil des Fußbodens. In der Mitte des Zimmers standen zwei Zeichentische. Eine Staffelei von gewaltigen Ausmaßen erhob sich in einer Ecke des Zimmers neben einem Gobelin, der den altbekannten Ritter zeigte, der dem altbekannten feuerspeienden Drachen mit dem Schwert zu Leibe rückt, als dieser sich mit der altbekannten blonden Walküre aus dem Staub machen will. Manche Dinge ändern sich einfach nie, nicht mal über Jahrhunderte hinweg. Die Staffelei war leer, aber vor meinem geistigen Auge erschien für einen Moment das Gemälde meines Vaters von Konstantin und seiner Vision, welche die Kirche und das Abendland auf ewig umgeformt hatte. Mein Vater hatte schon immer große, bedeutsame Motive bevorzugt. Keine Ritter, Drachen und Blondinen.
    Tramonte führte mich zu einer Wand mit Bücherschränken und sagte mir, ihm sei zu Ohren gekommen, daß ich mich für jene Unterlagen interessiere, die meine Schwester sich angesehen habe. Er war natürlich viel zu sehr mit seinen eigenen Problemen belastet, als daß er mir sein Beileid über ihren Tod hätte aussprechen können. Er wies gelangweilt auf die entsprechenden Kartons in den Regalen. Sie trugen die Aufschrift: 1943, 1944, 1945. Ein offenbar hochkompliziertes System der Archivierung. Diese Dokumente, sagte er, habe meine Schwester sich angesehen. Er seufzte, daß seine Hühnerbrust erbebte, und bat mich, um Gottes willen vorsichtig mit den Unterlagen umzugehen und darauf zu achten, daß sie in der ursprünglichen Reihenfolge blieben, und die Kartons nach der Durchsicht wieder ins Regal zu stellen. Ich beteuerte, wie sehr ich mich ihm ob seiner Freundlichkeit zu Dank verpflichtet fühle. Er nickte, nahm seinen Obulus und den ihm zustehenden Respekt entgegen und schlurfte davon. Ich nahm den ersten Karton mit Papieren, trug ihn zu einem der langen, auf Hochglanz polierten Zeichentische, holte mein Notizbuch hervor und machte mich an die Arbeit.
    Ich verbrachte zweieinhalb Tage damit, mich durch die alten Papiere des Bischofs zu wühlen. Die meisten waren in italienischer und französischer Sprache abgefaßt, ein paar in Deutsch, einige in Englisch, wieder andere in Latein, und als ich schließlich das Handtuch warf und mich in den unbequemen Stuhl mit der kerzengeraden Lehne zurücksinken ließ, hatte ich eine Migräne, und in meinem Kopf drehte sich alles. Da hatte ich mich nun durch Berge von Papier hindurchgekämpft, und außer Kopfschmerzen war bislang wenig dabei herausgekommen. Draußen prasselte der Novemberregen weiter gegen die hohen Flügelfenster.
    Ich hatte Tagebücher studiert, Terminkalender, Notizen, Rechnungen durchgesehen, einige nichtssagende Berichte an Torricelli und andere, Briefe, die er geschrieben und Briefe, die er bekommen hatte. Es war, als wollte man ein Puzzle zusammensetzen, ohne zu wissen, wie es eigentlich aussehen soll, wenn es fertig ist. Ich dachte immer wieder an Val, versuchte, mich in ihre Lage zu versetzen, versuchte mir vorzustellen, was sie gesucht haben könnte – aber was hatte sie gewußt? Mir wurde allmählich klar, daß ich höchstwahrscheinlich nie erfahren würde, was in ihrem Kopf vorgegangen war. Bruchstücke, ja, aber nie das Gesamtbild. Das Problem, mich in ihre Gedankengänge zu versetzen, wurde zusätzlich erschwert durch die Tatsache, daß ich ihre Spur zurück verfolgen mußte, zurück bis zu jener Entdeckung, die sie bewogen hatte, ihre Nachforschungen aufzunehmen, aus welchen Gründen auch immer. Aber ich bezweifelte, jemals bis zu diesem Punkt vorzudringen. Es war wie ein Herumirren im Dschungel auf der Suche nach der Quelle des Nil.
    Jedenfalls ging aus den Unterlagen hervor, daß eine permanente Auseinandersetzung zwischen Torricelli und dem entschlossenen Emporkömmling Giacomo D’Ambrizzi stattgefunden hatte, was die Frage der Unterstützung der Resistance durch die Kirche betraf. D’Ambrizzi hatte Saboteuren aus dem französischen Widerstand seine Hilfe gewährt, und das brachte Torricelli auf die Palme, weil er derjenige war, der darauf achten mußte, nicht vom Drahtseil zu stürzen, auf dem er zwischen den Vertretern der deutschen Besatzungsarmee und der Kirche hin und her balancierte. Torricelli mußte mit der Abwehr verhandeln, mit der Gestapo, mit Wehrmachtsoffizieren und weiß Gott wem. In den

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