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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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ihrer Zeit, doch jetzt verkümmert, dahingewelkt, geschrumpft zu diesem Museum aus Erinnerungen. Paris, Place de la Contrescarpe, Tabbycats, die blutige Straßenecke, die dunklen Flecken auf dem Teppich vor der Wohnungstür, diese kleine Wohnung mit ihren Souvenirs, die wohl eines Tages auf einem Flohmarkt in irgendeiner Seitenstraße verhökert werden würden …
    Die Clochards hatten ein Lagerfeuer entfacht und ignorierten den ungemütlichen Nieselregen. Ich konnte zwei riesige Bratpfannen über den Flammen erkennen, in denen Würstchen, Zwiebeln, Paprika und Kartoffelscheiben brutzelten. Flaschen mit billigem Rotwein und Baguettes machten die Runde. Es schien sich um eine Art Clochard-Treffen zu handeln. Der Duft war gar nicht mal so übel, als er sich mit dem Geruch nach Regen und Spätherbst und Autoabgasen vermischte. Einer der Männer goß Wein in beide Pfannen. Es zischte laut, und eine weiße Rauchsäule schoß in die Höhe.
    Clive Paternoster und ich saßen an dem einzigen Fenstertisch im Tabbycats. Balzac schien zu überlegen, ob es an der Zeit war, den Bananenbaum zu wässern. Wir aßen zu Abend, pot au feu, nachdem wir zuvor mit viel Knoblauch gewürzte Pastete mit Pilzen verspeist hatten, und tranken dazu einen sehr guten Margaux. »Ich will ja nicht behaupten, daß der Vikar keine Fehler und Schwächen hatte«, sagte Paternoster und tunkte ein Stück Brot in die dicke Soße, »aber ich vermisse den alten Knaben. Wir hatten im Leben so ziemlich die gleichen Erfahrungen gemacht, wir konnten miteinander reden, ohne uns gegenseitig auf den Wecker zu fallen. Es ist gut, wenn man jemanden hat, mit dem man gemeinsame Erinnerungen austauschen kann, vor allem, wenn man ein bißchen älter wird. Er war kein Heiliger, aber er war ein feiner Kerl.«
    »Worüber hat meine Schwester mit ihm gesprochen?«
    »Über den ganzen alten Hokuspokus aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie wollte irgendwas über Torricelli wissen und …« Er hielt plötzlich inne, blickte mich an und zuckte die Achseln. »Und? Was? Erzählen Sie weiter.«
    »Sie hat sich für alles, einfach alles interessiert, was damals gewesen ist. Alles, woran wir uns erinnern konnten. Ich war damals ja auch hier in Paris. Torricelli! Na, das war vielleicht ein Prachtexemplar. Ein schlüpfriger, gewiefter alter Teufel. Er wußte genau, was Sache war. Nazis, Resistance, Kirche … war doch gar nicht unter einen Hut zu bringen. Hat aber so getan, als ob, der alte Heide! Aber was blieb ihm anderes übrig, nicht wahr? Er stand zwischen den Fronten und wollte sich keinen zum Feind machen. Die Nazis auf der einen Seite, die Kirche auf der anderen. Er hatte die Wahl zwischen dem Feuer und der Bratpfanne über diesem Feuer. Ganz schlimm wurde es für ihn, als D’Ambrizzi aus Rom hierher geschickt wurde. Das war ein anderes Kaliber als der gute alte Torricelli.« Er schüttelte grinsend den Kopf. »D’Ambrizzi hat den alten Knacker in den Wahnsinn getrieben.«
    »Was habt ihr beide meiner Schwester denn erzählt?«
    »Alles weiß ich auch nicht. Ihre Schwester hat sich ein- oder zweimal mit Robbie allein getroffen, als ich keine Zeit hatte.« Er zuckte die Achseln. »Aber es ging Ihrer Schwester, glaube ich, hauptsächlich darum, daß er Philippe Bloody Tramonte wegen der Papiere anrief …«
    »Was für Papiere?«
    »Tramonte ist Torricellis Neffe. Er ist ein schmieriger kleiner Blödmann, ein Schwuler, wenn Sie mich fragen. Er ist derjenige, der Torricellis Nachlaß verwaltet. Akten, Akten, Akten. Tramonte nennt den Kram das ›Archiv‹. Also wirklich. Naja, wenn Sie wissen möchten, hinter was Ihre arme Schwester her war, dann werden Sie einen Blick in diese Rumpelkammer werfen müssen.« Er lachte herablassend. »Wenn Sie wollen, rufe ich Tramonte morgen früh an und mache einen Termin für Sie aus.«
    Wir tranken unsere zweite Tasse Kaffee, als ich ihm endlich die Frage stellte, die mir schon so lange auf der Zunge brannte. »Wissen Sie, ob der Vikar in letzter Zeit Besuch bekommen hat? Von einem Priester? Ein hochgewachsener Mann, gepflegte Erscheinung, silbernes Haar, ungefähr in Ihrem Alter …«
    Paternoster legte seine Maulwurfsnase in Falten und riß die Augen auf. »Du kriegst die Tür nicht zu! Darf ich fragen, woher Sie das wissen?«
    Das Blut gefror mir in den Adern, tausend Alarmglocken schrillten, aber ich hielt mich eisern unter Kontrolle. Da war es, das nächste Bindeglied, da war die neue Fährte. »War nur ein Schuß ins Blaue. Dieser Priester war

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