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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Männer sterben mußten. Und nun hast du auch mich noch irregeleitet, die Unschuldigen abzuschlachten … Ich bin gekommen, sie zu rächen, Archduke. Es sind so viele. Sie alle sind jetzt hier. Sie alle sind um uns herum versammelt. Schließ die Augen, und du wirst ihre Gesichter sehen.«
    Mein Vater erhob sich langsam vom Kaminsims. Dann stand er Horstmann zugewandt und blickte ihn an. Er schloß die Augen.
    »Kannst du sie sehen, Archduke?«
    Er schoß meinem Vater eine Kugel in den Kopf. Mein Vater wurde zurückgeschleudert, und sein Kopf und seine Schultern prallten auf die brennenden Scheite im Kamin; Funken stoben; das Feuerholz zerbarst krachend unter seinem Gewicht. Die Flammen loderten wieder auf, streichelten seinen Kopf, und die wabernden Hitzeschleier schienen sein Gesicht schmelzen zu lassen. Seine Füße zuckten, schlugen auf den Boden, ein Paroxysmus, sinnlose Nervenimpulse, ein Tanz des Todes.
    Dunn seufzte. Ich fühlte, wie er mir irgend etwas in die Hand schob, etwas Kaltes, Schweres. Dann ließ er sich wieder kraftlos auf den Rücken rollen, rosafarbenen Schaum auf Mund und Kinn. Er atmete langsam, und unter seinem Körper breitete sich dort, wo die Kugel ausgetreten war, eine kreisförmige Blutlache aus. Meine Hand krampfte sich um den Griff des 45er Colt, und ich richtete den Lauf auf Horstmann.
    Er wandte sich vom Kamin ab, vom faszinierenden Anblick meines toten Vaters, dessen Fleisch in den Flammen briet, und starrte mich an. Aus dem Kamin drang ein Zischen.
    »Ich habe keinen Streit mit Ihnen«, sagte er zu mir. Der Lauf der Walther war auf mich gerichtet. Er schien die riesige Waffe in meiner Faust kaum wahrzunehmen.
    »Das will ich auch nicht hoffen«, sagte ich. »Ich habe Ihnen nichts getan. Sie aber haben meine Schwester erschossen, und meinen Freund Father Dunn … überrascht es Sie, daß Ihre Entschuldigungen mir gleichgültig sind? Sie wurden irregeleitet – das alles habe ich schon gehört. Und Sie bereuen. Aber ich kann nicht sagen, daß Sie mir deshalb leid tun.«
    »Ich habe getan, was ich konnte, um meine Schuld zu tilgen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es war nicht genug. Sie haben meine Schwester nicht gerächt. Das können Sie gar nicht. Ich bin derjenige, der meine Schwester rächen kann. Sie haben sie ermordet, und ich habe mir geschworen, Sie zu finden. Und jetzt werde ich Sie töten. Ich habe keine andere Wahl.«
    Er lächelte mich an. »Wieder eine Spielzeugwaffe, Mr. Driskill?«
    »Nein«, sagte ich. »Die ist echt.«
    Die erste Kugel riß ihm den Brustkorb auf und schmetterte ihn zurück in die geöffneten Pranken des Bären. Seine Brille segelte durch die Luft, und dann hing er in der Umklammerung des Raubtiers, hilflos, nicht fähig, Schock und Schmerz zu überwinden, und seine Augen traten groß und rund aus den Höhlen. Vielleicht hatte schon diese erste Kugel ihn getötet, oder sie hätte es sehr bald getan, aber das Gift des Hasses brannte noch immer in meinen Adern. Ich wartete, ich wartete sehr lange, und ich wünschte mir, ein Publikum zu haben, weil ich das Gefühl hatte, eine Art Erklärung abzugeben, nur daß die Waffe das Reden übernahm. Sie löschte Haß und Wut, löste die Verkrampfung, befreite mich. Katharsis. Epiphanie mit einem 45er.
    Die zweite Kugel ließ die eine Hälfte seines Kopfes in einer Wolke aus Gewebe und Knochensplittern explodieren und fetzte dem Bären ein großes Büschel Haare aus der Schulter. Das Geräusch war unerträglich.
    Die dritte Kugel riß ihm das Kinn ab und durchschlug seinen Kehlkopf und warf ihn mitsamt dem Bären um.
    Ich hörte Dunns leise Stimme hinter mir.
    »Ich glaube, Sie haben ihn erwischt, Ben.«
    Ich rief die Polizei und die Feuerwehr in Menander an und überließ es ihnen, einen Unfallwagen zum Ferienhaus zu schicken. Dann zerrte ich den rauchenden, verkohlten Körper meines Vaters aus dem Kamin. Ich roch sein verbranntes Fleisch. Für Artie Dunn konnte ich nicht viel tun. Entweder kam er durch oder nicht. Ich hielt ihn in den Armen, redete auf ihn ein, damit er nicht einschlief und vielleicht nie mehr erwachte. Ich sagte ihm, er solle sich den Weihnachtsbaum anschauen, der über uns aufragte. Ich spürte den eisigen Wind und den nassen Schnee, die mir aus der Dunkelheit durch die riesige Öffnung, wo einst das Panoramafenster gewesen war, ins Gesicht fegten.
    Irgendwann begann ich leise zu singen, Weihnachtslieder, und ich spürte, wie Father Dunn sich schwach in meinen Armen bewegte, und hörte ihn

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