Assassino
merken«, antwortete er. »Wir holen erst etwas ab, und dann werden wir sehen, was wir für deinen Freund tun können.« Sein Telefon klingelte. Diesmal hörte er nur zu, was ihm die Stimme am anderen Ende berichtete.
Kati sah aus dem Fenster. Sie kannte diese Gegend. Sie nähertensich Fatih, dem Stadtteil, in dem Job Guégen seine Praxis hatte. Und tatsächlich, wenige Minuten später hielt Mustafa vor dem Haus des Psychiaters.
»Ich bin gleich zurück«, rief Seamus und sprang aus dem Auto. Er pochte heftig gegen die Tür des Arztes, die umgehend von dem jungen Mann geöffnet wurde, den Guégen ihnen als Simon vorgestellt hatte. Der Ire drängte sich an ihm vorbei ins Haus und die Tür fiel hinter ihnen zu.
Mustafa drehte an den Knöpfen des Autoradios und suchte irgendeinen Sender. Wie die Klangfetzen des Radios zuckten Gedankensplitter durch Katis Kopf, die sich allerdings nicht zu einem Ganzen zusammenfügen wollten. Aber es reichte für eine Ahnung …
Sie blickte wieder zur Tür von Guégens Haus. Simon. Der Gehilfe. Schwarze Haare, groß, schlank. Sie spürte, da war etwas. Aber was? Sosehr sie sich auch bemühte, es wollte ihr einfach nicht einfallen.
Die Tür ging auf und Seamus kam herausgestürzt. Mit einem Satz war er im Auto und gab Mustafa eine Anweisung. Der Fahrer legte den Gang ein und gab Gas, und im Losfahren erhaschte Kati einen letzten Blick auf Simon, der ihnen mit unverkennbarem Hass im Gesicht nachblickte.
Langsam schoben sich in ihrem Kopf die Puzzleteile zusammen. Junger Mann, schwarze Haare, Europäer, Bulut …
»Ich habe hier was für dich.« Seamus drehte sich im Sitz um und hielt ihr eine kleine Holzschatulle hin. Kati nahm sie mit zitternden Fingern entgegen. Sie wusste, was sich darin befand, bevor sie den Deckel aufklappte.
Die Fibelscheibe des Tages.
Verräter
Der Schock verschlug Kati die Sprache.
Seamus hatte sie die ganze Zeit getäuscht!
»Du!«, entfuhr es ihr. »Du bist der Verräter!«
Beim Wort »Verräter« blickte Mustafa erschrocken zur Seite und trat auf die Bremse.
»Sofort anhalten!«, rief Kati. »Keine Minute länger will ich mit dir im selben Auto sitzen!«
Sie befanden sich auf einer mehrspurigen Straße, die aus der Innenstadt hinausführte. Mustafa hielt das Fahrzeug direkt neben dem Mittelstreifen an. Ein wütendes Hupkonzert hinter ihnen war die Reaktion darauf, was ihn aber nicht im Mindesten störte.
Kati schob die Seitentür auf und sprang heraus. Sie wusste nicht, was sie vorhatte, sie wollte einfach nur weg von Seamus.
Der Ire, der an seiner Seite wegen des vorbeiströmenden Verkehrs nicht aussteigen konnte, quetschte sich an Mustafa vorbei auf die Rückbank und folgte ihr. Kati lief ein paar Meter weiter.
»Verschwinde!«, schrie sie. »Ich will dich nicht mehr sehen! Du widerst mich an!«
»Kati … «, begann Seamus. »Hör mich an.«
»Was willst du mir schon sagen? Ich hätte Ilyas retten können, wenn ich die Fibel rechtzeitig gehabt hätte. Aber ihr habt sie uns gestohlen! Und dann hast du uns noch diese Killer auf den Hals gehetzt.«
»Damit habe ich nichts zu tun, großes Ehrenwort.« Er machte ein Gesicht wie ein geprügelter Hund.
»Pah, das soll ich dir glauben? Ich habe dir vertraut, Seamus! Ich habe dich für einen Freund gehalten! Und du hast mich von Anfang an hintergangen. Ich will von dir nichts mehr hören.« Sie presste sich die Hände gegen die Ohren.
Er breitete die Arme aus. »Hasse mich, wenn du willst. Verachte mich. Schlag mich, wenn es dir dann besser geht. Aber komm zurück ins Auto! Ich weiß, wo Ilyas ist.«
Auf beiden Seiten brausten lautstark die Autos vorbei und sie nahm nur einzelne, verschwommene Laute wahr. Aber das Wort »Ilyas« verstand Kati dennoch. Sie ließ ihre Hände sinken.
»Was ist mit Ilyas?«
»Ich weiß, wo er ist«, wiederholte der Ire, der jetzt bis auf einen Meter herangekommen war. »Wenn du ihm helfen willst, dann komm zurück ins Auto.«
»Warum sollte ich dir glauben?«, fragte sie misstrauisch. »Du hast mich die ganze Zeit belogen. Warum sollte es jetzt anders sein?« Aber sie wusste bereits, dass sie wieder einsteigen würde. Wenn es auch nur eine winzige Chance gab, Ilyas zu helfen, dann würde sie diese wahrnehmen.
»Es tut mir leid, was geschehen ist, Kati, aber wenn du mir die Gelegenheit dazu gibst, werde ich dir alles erklären. Willst du Ilyas nun helfen oder nicht?«
»Natürlich will ich das.« Sie lief an ihm vorbei zum Auto. Mustafa war inzwischen
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