Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
Holden. Er warf mir über die Schulter hinweg einen raschen, drängenden Blick zu.
„Auf keinen Fall“, gab ich zurück.
Wieder ein Angriff, und wieder kämpften wir. Ein Eunuch ging mit einem Stöhnen sterbend zu Boden. Nicht einmal im Angesicht des Todes, nicht einmal mit einem Schwert im Bauch schrien diese Männer. Über die Schultern derjenigen, die vor uns standen, sah ich weitere auf den Hof strömen. Sie waren wie Kakerlaken. Für jeden, den wir töteten, rückten zwei Neue nach.
„Geht, Sir!“, beharrte Holden. „Ich halte sie auf, dann folge ich Euch!“
„Seid kein Narr, Holden“, schnauzte ich ungehalten. „Ihr könnt sie nicht aufhalten. Sie werden Euch niedermachen.“
„Ich habe schon tiefer in der Klemme gesteckt als hier, Sir“, ächzte er. Sein Schwertarm schien sich wie von selbst zu bewegen und gegnerische Schläge abzuwehren. Aber ich konnte den aufgesetzten Mut in seiner Stimme hören.
„Dann werdet Ihr ja nichts dagegen haben, wenn ich bleibe“, sagte ich, während ich den Schwerthieb eines der Eunuchen parierte, nicht mit meiner Klinge, sondern mit einem Hieb ins Gesicht, der ihn zurückschleuderte.
„Geht!“, schrie er schrill.
„Wenn wir sterben, dann sterben wir zu zweit“, entgegnete ich.
Doch Holden hatte beschlossen, dass die Zeit für Höflichkeiten vorbei war. „Hört zu, mein Freund, entweder Ihr beide schafft es, hier rauszukommen, oder keiner von uns. Was ist Euch lieber?“
Zugleich zog Jenny an meiner Hand, die Tür zum Baderaum stand offen, und von links kamen noch mehr Männer auf uns zu. Aber ich zögerte immer noch. Bis Holden schließlich mit einem Kopfschütteln herumfuhr und schrie: „Verzeiht mir, Sir!“ Und ehe ich reagieren konnte, hatte er mich rückwärts durch die Tür gestoßen und sie zugeknallt.
Einen Moment lang herrschte entsetztes Schweigen im Baderaum, als ich rücklings und alle viere von mir gestreckt auf dem Boden lag und zu verarbeiten versuchte, was geschehen war. Durch die geschlossene Tür drang Kampflärm, leise, gedämpft, dann prallte etwas mit dumpfem Laut dagegen. Als Nächstes erklang ein Schrei – ein Schrei, den Holden ausstieß, und ich rappelte mich auf und war im Begriff, die Tür aufzureißen und wieder hinauszustürmen, als Jenny meinen Arm packte.
„Du kannst ihm jetzt nicht mehr helfen, Haytham“, sagte sie sanft. Im selben Augenblick ertönte auf dem Hof ein weiterer Schrei. Holden rief: „Ihr Dreckskerle, ihr verdammten schwanzlosen Dreckskerle!“
Ich warf einen letzten Blick auf die Tür, dann schob ich den Riegel zu, der sie verschloss, und Jenny zog mich zu der Luke im Boden hinüber.
„Mehr habt Ihr nicht drauf, ihr Scheißkerle?“, hörte ich Holdens leiser werdende Stimme, als wir die Treppe hinunterstiegen. „Kommt schon, ihr schwanzlosen Wunderknaben, zeigt mir, wie Ihr Euch gegen einen der Männer Seiner Majestät zu schlagen versteht …“
Das Letzte, was wir hörten, als wir über den Steg zurückliefen, war ein grauenhafter Schrei …
21. September 1757
I
Ich hatte gehofft, dass mir das Töten nie Freude bereiten würde, aber für den koptischen Priester, der auf dem Djerbel Eter vor dem Kloster Abou Gerbe Wache hielt, machte ich eine Ausnahme. Ich muss zugeben, dass ich es genoss, ihn umzubringen.
Er sackte am Fuß eines Zaunes, der ein kleines Areal umfriedete, in den Staub. Seine Brust hob und senkte sich, und seine letzten Atemzüge kamen ihm rau und gequält über die Lippen. Über uns krächzte ein Bussard, und ich warf einen Blick dorthin, wo am Horizont die Bögen und Spitzen des aus Sandstein gebauten Klosters aufragten und ich hinter dem Fenster warmes, von Leben kündendes Licht sah.
Der sterbende Wächter lag gurgelnd zu meinen Füßen, und für eine Sekunde erwog ich, ihm ein schnelles Ende zu bereiten – aber warum sollte ich ihm diese Gnade erweisen? So langsam er auch sterben und so viel Schmerzen er dabei auch erleiden mochte, es war nichts – nichts – im Vergleich zu den Qualen, die diese armen Seelen hier erlitten hatten.
Und ganz besonders eine, die gerade jetzt dort drinnen litt.
Auf dem Markt in Damaskus hatte ich erfahren, dass Holden nicht getötet worden war; man hatte ihn gefangen genommen, nach Ägypten gebracht und in das koptische Kloster geschafft, wo aus Männern Eunuchen gemacht wurden. Also reiste ich dorthin. Ich betete, dass ich nicht zu spät kam, aber tief in meinem Herzen wusste ich, dass ich zu spät kommen würde. Und so war es
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