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Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen

Titel: Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bowden
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selbstständig dachte.
    Der Unterschied zwischen den beiden bestand darin, dass mein Vater mich stets angehalten hatte, mir meine eigene Meinung zu bilden. Reginald, so stellte ich fest, betrachtete die Welt in klar umrissenen Bahnen. Bei Vater hatte ich manchmal das Gefühl gehabt, Denken allein genüge – dass das Denken als solches ein Mittel sei und der Schluss, zu dem ich kam, weniger wichtig als der Weg dorthin. Bei Vater konnten Fakten und – zu dieser Erkenntnis komme ich, wenn ich in älteren Tagebüchern blättere – das gesamte Konzept der Wahrheit mitunter einen veränderlichen, wandelbaren Charakter haben.
    Für Reginald hingegen gab es solche Vieldeutigkeiten nicht, und wenn ich ihm in den ersten Jahren widersprach, lächelte er mich stets an und sagte, er höre meinen Vater aus mir sprechen. Und dann erzählte er mir, dass mein Vater ein großer und in vielerlei Hinsicht kluger Mann gewesen sei und obendrein der beste Schwertkämpfer, den er je gekannt habe. Seine Einstellung zu Bildung und Wissen sei allerdings nicht so gescheit gewesen, wie sie es hätte sein können.
    Beschämt es mich, einzugestehen, dass ich Reginalds Weg, den strikteren Weg der Templer, im Laufe der Zeit zu bevorzugen begann? Obgleich er stets gut gelaunt war und immer einen Scherz und ein Lächeln parat hatte, fehlten ihm die naturgegebene Freude und der Schalk meines Vaters. Zum einen war er stets zugeknöpft und elegant, und er legte fast schon fanatischen Wert auf Pünktlichkeit. Er bestand darauf, dass alles zu jeder Zeit ordentlich zu sein hatte. Und doch hatte Reginald irgendetwas, eine gewisse Bestimmtheit, die mich immer mehr ansprach.
    Eines Tages wurde mir klar, warum: Er kannte keine Zweifel – und damit auch keine Verwirrung, Unentschlossenheit, Ungewissheit. Dieses Gefühl – dieses Gefühl zu „wissen“, mit dem Reginald mich erfüllte – war mein Leitfaden vom Knabenalter zum Erwachsensein. Ich vergaß die Lehren meines Vaters nie; im Gegenteil, er wäre stolz auf mich gewesen, weil ich seine Ideale hinterfragte . Und dadurch eignete ich mir neue an.
    Jenny fanden wir nie. Im Laufe der Jahre verblasste meine Erinnerung an sie. Wenn ich in meinen alten Tagebüchern lese, stelle ich fest, dass ich mich in jungen Jahren so gut wie gar nicht um sie geschert hatte. Dafür schäme ich mich ein wenig, weil ich jetzt ein erwachsener Mann bin und die Dinge in einem anderen Licht sehe. Meine damalige Abneigung ihr gegenüber beeinträchtigte die Suche nach ihr jedoch nicht. Diese Mission trieb Mr Birch mit einem Eifer voran, der für uns beide reichte. Aber letztlich war es eben doch nicht genug. Die finanzielle Unterstützung, die wir von Mr Simpkin aus London erhielten, war beträchtlich, aber nicht unerschöpflich. Wir fanden ein Château in Frankreich. Es lag in der Champagne, versteckt in der Nähe von Troyes. Es wurde unser Stützpunkt, und dort setzte Mr Birch meine Ausbildung fort. Er sponserte meine Aufnahme als Adept und dann, vor drei Jahren, wurde ich ein Vollmitglied des Ordens.
    Wochen vergingen, in denen weder von Jenny oder Digweed die Rede war. Dann wurden Monate daraus. Wir waren in andere Angelegenheiten der Templer involviert. Der österreichische Erbfolgekrieg schien ganz Europa mit seinem gierigen Maul verschlingen zu wollen, und wir wurden gebraucht, um zu helfen, die Interessen der Templer zu schützen. Meine „Begabung“, mein Talent fürs Töten, begann sich zu zeigen, und Reginald erkannte rasch den Nutzen dieser Eigenschaft. Der Erste, dem ich in diesem Zuge den Tod brachte, war ein gieriger Kaufmann aus Liverpool. Der Zweite ein österreichischer Prinz.
    Nachdem ich den Kaufmann getötet hatte, das war vor zwei Jahren gewesen, kehrte ich nach London zurück und stellte dort fest, dass die Bauarbeiten am Queen Anne’s Square immer noch andauerten, und Mutter … Mutter war an jenem Tag zu müde, um mich zu empfangen, und das war sie auch am nächsten Tag. „Ist sie auch zu müde, um meine Briefe zu beantworten?“, fragte ich Miss Davy, die sich entschuldigte und den Blick niederschlug. Anschließend ritt ich nach Herefordshire, wo ich Digweeds Familie ausfindig zu machen hoffte, aber es war vergebens. Der Verräter in unserem Hause sollte nie gefunden werden, so schien es jedenfalls.
    Andererseits lodert das Feuer der Rache inzwischen auch weniger hoch in mir, was schlicht daran liegen mag, dass ich älter geworden bin. Vielleicht liegt es auch an der Selbstbeherrschung, an der

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