Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
Zustand nicht kümmern, Señor, doch ich muss mich tagein, tagaus mit solchen Angelegenheiten auseinandersetzen. Aber nun lasst mich diesen Käse probieren, bevor er schmilzt.“
Ich gab vor, die Hitze zu spüren, lockerte meinen Schal, den ich um den Hals trug, und nahm ihn ab. Verstohlen fasste ich meine Schultertasche und schloss die Hand um eine Dublone. Als Vedomir sich dem Käse zuwandte, ließ ich die Dublone in den Schal fallen.
Das Messer glitzerte im Kerzenlicht, als Vedomir ein Stück vom ersten Käse abschnitt, es zwischen zwei Fingern hielt und daran roch – was kaum nötig war, ich konnte den Käse bis zu meinem Platz riechen –, ehe er es sich in den Mund steckte. Er kaute mit prüfender Miene, sah mich an, dann schnitt er ein zweites Stück ab.
„Hm“, machte er nach einer Weile. „Ihr irrt Euch, Señor, dieser Käse ist dem aus Varela nicht überlegen. Er schmeckt nämlich genauso wie der aus Varela.“ Sein Lächeln war verschwunden, sein Gesicht hatte sich gerötet. „Mehr noch, das ist Käse aus Varela.“
Er machte den Mund auf, um nach Hilfe zu rufen, als ich den Seidenschal mit der Dublone darin mit einer raschen Bewegung meiner Handgelenke zu einer Garrotte drehte, mich mit überkreuzten Armen nach vorn und sie ihm über den Kopf warf und um den Hals herum festzog.
Seine Messerhand fuhr in die Höhe, aber er war zu langsam und überrascht und stach mit dem Messer unkontrolliert ins Leere, während ich mein Würgetuch noch fester zog. Die Münze presste sich auf seine Luftröhre und schnitt ihm jeden Laut ab. Ich hielt die Würgeschlinge mit einer Hand, entwaffnete ihn mit der anderen und warf das Messer auf ein Kissen. Dann benutzte ich wieder beide Hände, um das Würgetuch zuzuschnüren.
„Mein Name ist Haytham Kenway“, sagte ich leidenschaftslos und beugte mich vor, um ihm in die weit aufgerissenen, hervorquellenden Augen zu blicken. „Ihr habt den Tempelorden verraten. Dafür seid Ihr zum Tode verurteilt worden.“
Sein Arm hob sich in einem vergeblichen Versuch, nach meinen Augen zu stoßen. Ich wich ihm mit einer leichten Kopfbewegung aus und sah zu, wie ihn das Leben verließ.
Als es vorbei war, trug ich seinen Leichnam zum Bett. Dann ging ich zu seinem Schreibtisch, um sein Tagebuch mitzunehmen, wie es meinen Anweisungen entsprach. Es war aufgeschlagen, und ein Satz fiel mir ins Auge: „Para ver de manera diferente, primero debemos pensar diferente.“
Ich las ihn noch einmal und übersetzte ihn gewissenhaft, als lernte ich eine neue Sprache: „Um anders zu sehen, müssen wir erst anders denken.“
Ich blickte eine Weile darauf, tief in Gedanken versunken, dann schlug ich das Buch zu, verstaute es in meiner Tasche und konzentrierte mich wieder auf meine Aufgabe. Bis der Tag anbrach, würde Vedomirs Tod unbemerkt bleiben, und dann würde ich längst fort sein, auf dem Weg nach Prag, wo ich Reginald nun etwas fragen wollte.
18. Juni 1747
I
„Es geht um Eure Mutter, Haytham.“
Im Keller des Hauptquartiers in der Celetná-Straße stand er vor mir. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich für Prag entsprechend zu kleiden. Er trug sein Engländertum wie ein Ehrenabzeichen: saubere und ordentliche weiße Strümpfe, schwarze Hosen und natürlich seine Perücke, die weiß war und deren Puder zum größten Teil auf die Schultern seines Gehrocks gerieselt war. Licht spendeten Fackeln, die links und rechts von ihm auf hohen eisernen Stangen brannten, weitere steckten in Halterungen an den beinah schwarzen Steinmauern. Für gewöhnlich wirkte Reginald stets entspannt, wenn er mit den Händen hinter sich auf seinen Stock gestützt dastand, aber heute ging etwas sehr Förmliches von ihm aus.
„Mutter?“
„Ja, Haytham.“
Sie ist krank , war mein erster Gedanke, und augenblicklich fühlte ich mich von einer heißen Woge des Schuldgefühls getroffen, so heftig, dass mir fast schwindlig wurde. Ich hatte ihr seit Wochen nicht geschrieben. Ich hatte sogar kaum an sie gedacht.
„Sie ist tot, Haytham“, sagte Reginald und senkte den Blick. „Sie ist vor einer Woche gestürzt. Dabei hat sie sich den Rücken schwer verletzt, und ich fürchte, daran ist sie gestorben.“
Ich schaute ihn an. Der heftige Ansturm von Schuldgefühl war so rasch vorbei, wie er gekommen war, und an seiner Stelle blieb eine Leere zurück, eine hohle Stelle, wo eigentlich Emotionen sein sollten.
„Es tut mir leid, Haytham.“ Sein verwittertes Gesicht zeigte Mitgefühl, seine Augen blickten
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