Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
Tages darin festzuhalten.
Eben kam Mr Birch zu mir und überbrachte mir die Neuigkeit: Digweed, berichtete er mir mit ernstem Gesicht, sei geflohen. Aber man werde ihn schon finden, versicherte er mir. Den Templern entkam niemand, und es ändere sich dadurch nichts. Wir würden nichtsdestotrotz aufs Festland reisen.
Mir wird bewusst, dass dies mein letzter Eintrag hier zu Hause in London sein wird. Dies sind die letzten Worte meines alten Lebens, bevor mein neues beginnt.
TEIL ZWEI
1747, zwölf Jahre später
10. Juni 1747
I
Heute beobachtete ich den Verräter, als er sich auf dem Basar herumtrieb. Einen Hut mit Federschmuck auf dem Kopf, dazu bunte Spangen und Strümpfe, so schlenderte er von Stand zu Stand und blinzelte in die grelle Sonne Spaniens. Mit einigen der Händler scherzte und lachte er, mit anderen wechselte er scharfe Worte. Er war, so schien es, weder Freund noch Despot. Im Gegenteil. Der Eindruck, den ich von ihm gewann – mochte dies auch nur aus der Ferne möglich sein –, war der eines gerechten, sogar gütigen Mannes. Aber es waren auch nicht diese Menschen, die er verriet. Er verriet seinen Orden. Er verriet uns.
Seine Leibwächter wichen nie von seiner Seite, und sie waren gewissenhaft und tüchtig, das sah ich ihnen an. Ihre Blicke schweiften unentwegt über den Markt, und als einer der Händler ihrem Schützling einen herzhaften Schlag auf die Schulter versetzte und ihm ein Brot aus seinem Sortiment zum Geschenk machte, winkte er den größeren der beiden Leibwächter zu sich, der das Brot mit der linken Hand entgegennahm, womit seine Schwerthand frei blieb. Gut. Guter Mann. Von Templern trainiert.
Kurz darauf flitzte ein kleiner Junge aus der Menge hervor, und sogleich zuckte mein Blick zu den Leibwächtern, die sich anspannten, die Gefahr abwogen und dann …
Entspannten?
Über sich selbst lachten, weil sie so schreckhaft waren?
Nein. Sie blieben angespannt. Sie blieben wachsam, weil sie keine Narren waren und genau wussten, dass der Junge nur ein Ablenkungsmanöver sein mochte.
Es waren gute Männer. Ich fragte mich, ob die Lehren ihres Arbeitgebers sie korrumpiert hatten, eines Mannes, der einer Sache die Treue geschworen hatte, während er die Ideale einer anderen unterstützte. Ich hoffte, dass es nicht so war, denn ich hatte bereits beschlossen, sie am Leben zu lassen. Und wenn es den Anschein hat, dass ich aus Bequemlichkeit beschlossen habe, den beiden ihr Leben zu schenken, weil ich in Wahrheit lieber nicht gegen zwei so fähige Männer kämpfen wollte, dann trügt dieser Anschein. Sie mochten wachsam sein, zweifellos waren sie Könner im Umgang mit dem Schwert, und gewiss verstanden sie sich aufs Töten.
Aber auch ich bin wachsam. Auch ich bin ein Könner im Umgang mit dem Schwert. Und auch ich verstehe mich aufs Töten. Ich habe eine natürliche Begabung dafür. Doch im Gegensatz zu meiner Begabung für Theologie, Philosophie, Altphilologie und meine Sprachen – insbesondere mein Spanisch, das so gut ist, dass ich hier in Altea durchaus als Spanier durchgehe, wenn auch als etwas wortkarger – genieße ich meine Begabung fürs Töten nicht. Ich bin gut darin, das ist alles.
Wenn allerdings Digweed mein Ziel wäre, dann würde mir sein Tod durch meine Hand vielleicht ein kleines bisschen Erfüllung bescheren. Aber er war nicht mein Ziel.
II
Nachdem Reginald und ich London verlassen hatten, durchkämmten wir fünf Jahre lang Europa. Wir zogen mit einer ganzen Karawane von Land zu Land. Es war ein Tross aus Personal und Rittern, die sich in stetem Wechsel um uns scharten und uns jeweils eine Zeit lang begleiteten, um dann von anderen abgelöst zu werden. Wir beide waren die einzigen Konstanten auf dieser endlosen Reise von einem Land zum nächsten, nahmen ab und zu die Fährte einer Bande von türkischen Sklavenhändlern auf, in deren Gewalt Jenny sich angeblich befand, und folgten zwischendurch Hinweisen, die Digweed betrafen und denen Braddock nachging, der dann davonritt und monatelang fortblieb, aber stets mit leeren Händen zurückkehrte.
Reginald war mein Lehrer, und in dieser Hinsicht ähnelte er meinem Vater. So neigte auch er dazu, alles, was Büchern entstammte, spöttisch zu belächeln, und er beteuerte unermüdlich, dass es höhere, fortgeschrittenere Lehren gebe als jene, die in verstaubten alten Schulbüchern zu finden seien. Später lernte ich sie als die Templer-Lehren kennen. Und ebenfalls wie mein Vater bestand auch er darauf, dass ich
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