Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
verblüfft, dass ich einen Moment lang fürchtete, sie würden gar nicht reagieren. Selbst Braddock, der sich ein Stück entfernt befand, stand einfach nur da, ebenfalls mit offenem Mund, und schien nicht recht zu wissen, ob er sich amüsieren oder ärgern sollte über diesen unerwarteten Ausbruch schieren Irrsinns.
Würden sie einfach kehrtmachen und weiter ihres Weges gehen? Vielleicht plagte Charles dieselbe Sorge, denn eilends fügte er hinzu: „Pfui, schämt Euch, und Schande über Euren falschen Krieg!“ Und dann setzte er seinem Auftritt noch die Krone auf. Er bückte sich, hob einen Pferdeapfel auf und warf ihn in die Richtung der Gruppe. Die meisten der Männer wichen schnell und geschickt aus. Das waren die Glücklichen – zu denen General Edward Braddock nicht gehörte.
Da stand er nun, Pferdedreck auf der Uniform und nicht länger unentschlossen, ob er sich über den frechen Kerl amüsieren oder ärgern sollte. Jetzt war er nur noch stinksauer, und sein Gebrüll schien das Laub an den Ästen erzittern zu lassen: „Ihm nach!“
Ein paar der Männer lösten sich von der Gruppe und wollten sich Charles schnappen, der sich allerdings schon umgedreht hatte und davonrannte, vorbei an einem Gemischtwarenladen und dann links in die Gasse zwischen dem Laden und einer Schenke.
Das war unsere Chance. Doch anstatt sie zu ergreifen, sagte John nur: „Verdammt.“
„Was ist?“, fragte ich. „Das ist unsere Chance zur Flucht.“
„Ich fürchte nicht. Euer Mann hat seine Verfolger in eine Sackgasse gelockt. Wir müssen ihn retten.“
Innerlich stöhnte ich auf. Es war also eine Rettungsaktion – nur musste ich einen anderen Mann als geplant retten. Und so rannte auch ich auf die Gasse zu, nur hatte ich nicht die Absicht, die Ehre unseres feinen Herrn Generals wiederherzustellen – ich wollte lediglich Charles vor Schaden bewahren.
Ich kam zu spät. Bis ich hinzukam, hatte man ihn bereits verhaftet, und ich trat stumm fluchend zurück, als er zurück auf die Hauptstraße gezerrt und General Braddock, der vor Wut schier kochte, vorgeführt wurde. Und Braddock griff auch schon nach seinem Schwert, als ich befand, dass die Sache weit genug gegangen war.
„Lasst ihn in Ruhe, Edward.“
Er drehte sich zu mir um. Wenn es überhaupt möglich war, dass sein Gesicht noch dunkler anlief, als es bereits der Fall war, dann tat es das jetzt. Um uns herum schauten Rotröcke einander so atemlos wie verdutzt an, während Charles, der links und rechts von je einem Soldaten festgehalten wurde und immer noch kein Hemd trug, mir einen dankbaren Blick zuwarf.
„Ihr schon wieder!“, spie Braddock wütend hervor.
„Dachtet Ihr wirklich, ich käme nicht zurück?“, entgegnete ich ruhig.
„Es überrascht mich mehr, wie schnell Ihr Euch zu erkennen gegeben habt“, prahlte er. „Ihr werdet weich, wie mir scheint.“
Ich hatte keine Lust auf gegenseitige Beleidigungen. „Lasst uns gehen – und John Pitcairn dazu“, verlangte ich.
„Ich lasse meine Autorität nicht infrage stellen“, sagte Braddock.
„So wenig wie ich die meine.“
Seine Augen loderten. Hatten wir ihn wirklich verloren? Für einen Moment stellte ich mir vor, wie ich mich mit ihm hinsetzte und ihm das Buch zeigte und dann sah, wie der Wandel ihn überkam, so wie er mich überkommen hatte. Könnte er wohl das gleiche Gefühl plötzlicher Erkenntnis verspüren? Könnte er zu uns zurückkehren?
„Legt sie alle in Ketten“, schnauzte er.
Nein, befand ich, das könnte er nicht.
Und einmal wünschte ich mir, Reginald wäre da, denn er hätte diese Auseinandersetzung im Keim erstickt. Er hätte verhindert, was als Nächstes geschah.
Ich beschloss nämlich, dass ich mit ihnen fertigwerden könnte – und ich tat den ersten Schritt. Ruck, zuck hatte ich meine Klinge ausgefahren, und der Rotrock, der mir am nächsten war, starb mit einem überraschten Ausdruck im Gesicht, als ich ihn damit durchbohrte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Braddock zur Seite sprang, sein Schwert zog und einen anderen Mann anschrie, der nach seiner bereits gespannten Pistole griff. John erreichte ihn vor mir, sein Schwert fuhr aufblitzend nach unten und hieb ins Handgelenk des Mannes. Er trennte ihm die Hand nicht ganz ab, aber die Klinge schnitt in den Knochen, sodass seine Hand nur noch am Ende seines Armes baumelte und die Pistole seinen kraftlosen Fingern entglitt.
Ein anderer Soldat griff mich von links an, es kam zum Schlagabtausch. Ich drang auf ihn ein, bis er
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