Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
schlafen, die Waffen stets parat und den Blick immer wieder über die Schulter nach hinten gerichtet, denn jedes fremde Gesicht konnte das eines Feindes sein. Allein der Gedanke daran war erschöpfend, aber welche andere Wahl gab es? Laut Slater hatte Braddock dem Tempelorden entsagt. Jetzt war er ein wandelndes Pulverfass, und schlimmer als ein wandelndes Pulverfass war nur ein wandelndes Pulverfass, dem eine Armee zur Verfügung stand.
Immerhin konnte ich mich mit dem Wissen trösten, dass ich inzwischen ein handverlesenes Team hatte, und wir hatten uns wieder einmal im Hinterzimmer versammelt, verstärkt um John Pitcairn. Insgesamt eine mehr als nur ausgezeichnete Gegnerschaft für unsere beiden Widersacher.
Als ich den Raum betrat, standen die anderen auf, um mich zu begrüßen, auch Thomas, der mir nüchterner vorkam als gewöhnlich. Ich ließ meinen Blick von einem zum anderen wandern. Benjamins Wunden waren gut verheilt. John schien die Bande, die ihn an Braddocks Befehl fesselten, abgeschüttelt zu haben. Anstelle von Gedankenversunkenheit strahlte er nun eine gewisse geistige Leichtigkeit aus. Charles war nach wie vor ein Offizier der englischen Armee und sorgte sich, dass Braddock ihn zurückbeordern könnte, und dementsprechend zeigte er, wenn er gerade einmal nicht abfällig auf Thomas herabschaute, eine beunruhigte Miene. Und William stand an seinem Pult, eine Feder in der Hand, immer noch ganz damit beschäftigt, die Zeichen auf dem Amulett mit dem Buch und seinen eigenen Karten und Schaubildern zu vergleichen, immer noch ratlos, denn er war immer noch nicht auf etwas Entscheidendes gestoßen. Ich wusste, wie er sich fühlen musste.
Ich bedeutete ihnen, wieder Platz zu nehmen, und setzte mich dazu.
„Gentlemen, ich glaube, ich habe die Lösung unseres Problems gefunden. Oder besser gesagt: Odysseus hat sie gefunden.“
Die Erwähnung des griechischen Helden hatte unterschiedliche Wirkungen auf meine Gefährten, denn während William, Charles und Benjamin wissend nickten, blickten John und Thomas etwas verwirrt drein, wobei Thomas den verlegensten Eindruck machte.
„Odysseus? Ist das ein Neuer, der zu uns stößt?“ Er rülpste.
„Das ist ein griechischer Held, Ihr Idiot“, sagte Charles angewidert.
„Erlaubt mir, Euch die Sache zu erklären“, bat ich. „Wir werden Silas’ Fort betreten, indem wir vorgeben, zu ihnen zu gehören. Sobald wir drin sind, lassen wir unsere Falle zuschnappen, befreien die Gefangenen und töten den Sklavenhändler.“
Ich musterte die anderen, während sie meinen Plan verdauten. Thomas ergriff als Erster das Wort. „Riskant, riskant“, meinte er und grinste. „Gefällt mir.“
„Dann lasst uns anfangen“, fuhr ich fort. „Zunächst müssen wir uns einen Konvoi suchen …“
II
Charles und ich befanden uns auf einem Hausdach, von dem der Blick auf einen der öffentlichen Plätze von Boston fiel. Beide waren wir als Rotröcke verkleidet.
Ich besah mir meine Uniform. Es klebte immer noch etwas von Slaters Blut an meinem braunen Ledergürtel, und auch die weißen Strümpfe wiesen Flecken auf, aber abgesehen davon wirkte ich glaubwürdig, genau wie Charles, auch wenn er noch an seiner Uniform herumzupfte.
„Ich hatte vergessen, wie unbequem diese Uniformen sind.“
„Aber ich fürchte, es geht nicht ohne“, sagte ich, „wenn unser kleiner Schwindel überzeugen soll.“
Ich sah ihn an. Immerhin würde er nicht lange leiden müssen. „Der Konvoi müsste bald hier sein“, sagte ich. „Wir greifen auf mein Signal hin an.“
„Verstanden, Sir“, erwiderte Charles.
Auf dem Platz unter uns blockierte ein umgekippter Karren den Weg auf der anderen Seite, und zwei Männer mühten sich keuchend und ächzend ab, ihn wieder aufzurichten.
Oder vielmehr gaben sie vor, zu keuchen und zu ächzen und den Karren wieder aufrichten zu wollen, denn diese beiden Männer waren Thomas und Benjamin, und den Karren hatten wir zuvor alle zusammen absichtlich umgekippt und so platziert, dass er die Zu- und Ausfahrt blockierte. John und William befanden sich ganz in der Nähe. Sie warteten im Schatten einer Schmiede, wo sie auf umgedrehten Eimern saßen, die Hüte tief ins Gesicht gezogen – scheinbar nichts weiter als zwei Schmiede, die eine Pause einlegten und müßig das Treiben ringsum betrachteten.
Die Falle war gestellt. Ich drückte mein Fernglas ans Auge und ließ den Blick über die Landschaft jenseits des Platzes schweifen, und diesmal sah ich sie – es
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