Assungas Liebesnest
Mallmann, alias Dracula II, die Fäden im Hintergrund. Er träumte noch immer von einem Weltreich der Vampire, und diesen Traum würde er so leicht nicht begraben, das stand fest.
Aneri trat nach einem zaghaften Klopfen ein. Auch er stand noch immer unter dem Eindruck des Erlebten. Beinahe scheu blickte er sich im Büro seines Chefs um.
»Du kannst dich setzen. Die beiden haben Fragen an dich.«
Aneri sagte nichts. Er schaute uns an. Er war ein düsterer Typ mit schwarzen, kurz geschnittenen Lockenhaaren. Da die Augenbrauen fast über der Nasenwurzel zusammenwuchsen, hatte sein Gesicht einen finsteren Ausdruck. Er war groß, recht hager und breit in den Schultern. Über dem eckigen Kinn zeichneten sich recht dünne Lippen ab. Sein Alter schätzte ich auf dreißig Jahre.
Ich sprach Aneri direkt an. »Wie ich hörte, sind Sie Fabio’s Freund gewesen.«
Er zuckte mit den Schultern und schaute zunächst seinen Chef an. »Du kannst ruhig die Wahrheit sagen«, forderte Goff ihn auf.
»Ja, wir waren zusammen«, gab er zu.
»Sehr gut. Und wohin wollte Fabio?«
Aneri schaute zu Boden, als wäre ihm die Antwort peinlich. »Er hat von einem Liebesnest gesprochen.«
»Von einem Bordell?«
Aneri nickte. »Das muß wohl so gewesen sein.«
»War er schon einmal dort?«
»Nein, glaube ich nicht.«
»Dann muß er einen Hinweis bekommen haben.«
Aneri bewegte sich unruhig auf dem Platz hin und her. »Das denke ich mir auch«, gab er zu.
»Dann stellt sich die Frage, wer sein Informant war. Können Sie uns da auch weiterhelfen?«
»Nein, kann ich nicht.«
Log er, log er nicht? Ich war mir da nicht sicher und sprach ihn sehr ernst an. »Hören Sie, Mr. Aneri, es gibt für Sie überhaupt keinen Grund mehr, Ihren Freund schützen zu wollen. Er ist tot. Sie können ihn nur noch auf seinem letzten Gang begleiten. Aber das hier war erst der Beginn. Wir müssen davon ausgehen, daß Fabio nicht der einzige Blutsauger gewesen ist. Sicherlich war er das Glied in einer Kette. Wenn es tatsächlich noch weitere Vampire geben sollte, dann Gnade Gott den Menschen. Wir haben leider oft genug erlebt, was passiert, wenn Menschen zu Untoten werden. Da hilft dann nichts mehr. Da gibt es auch kein Zurück, sondern nur die Möglichkeit der Vernichtung. Der Vampirismus kann sich ausbreiten wie eine Epidemie. Sie glauben gar nicht, wie schnell aus einem Blutsauger ein Dutzend oder mehr werden können.«
»Ja, das weiß ich.«
»Sehr gut. Deshalb sollten Sie sich auch erinnern. Möglichst an jede Kleinigkeit.«
Aneri schaute wieder hoch. Er hatte die Mundwinkel jetzt verzogen. »Viel wollte er mir nicht sagen. Er wollte alles zunächst einmal testen und mir dann berichten.«
»Wozu es nicht mehr kam?«
»Richtig.«
Jetzt fragte Suko. »Aber da gibt es einen bestimmten Ort, wo er gefunden wurde?«
»Im Wald. Gefangen in einer Fuchsfalle.«
»Er ist also zu Fuß unterwegs gewesen. Oder haben Sie sein Auto gefunden?«
»Nein«, sagte Luciano Goff. »Das ist verschwunden.«
»Wo lag der Wald?«
»Außerhalb von London. Südlich von Luton.«
»Was wissen Sie noch?«
»Nichts mehr.« Goff strich über seine Grappaflasche. »Wir waren alle zu sehr geschockt. Wir haben ihn hergeschafft und ihn mit dem Eisen in den Keller gesperrt.«
»Das ist immerhin eine Spur, Mr. Goff«, sagte Suko. »Sie werden uns den Ort noch genauer sagen, dann sehen wir weiter. Ich glaube fest daran, daß Fabio dort nicht nur herumspaziert ist. Da wird in der Nähe sein Ziel gelegen haben. Ist die Gegend waldreich?«
»Ja, sehr.«
»Wunderbar«, sagte Suko und schaute mich an. »Hast du noch Fragen, John?«
Die hatte ich noch, und meine Worte galten Aneri. »Der Begriff Liebesnest ist gefallen. Können Sie etwas damit anfangen?«
»So hat Fabio sein Ziel genannt«, flüsterte er. »Dann sagte er noch etwas von tollen Weibern, die so ganz anders waren als die hier in unserer Bar.«
»Wie anders denn?«
»Nicht so abgefuckt. Sie haben das Wort verwöhnen ernst genommen.«
»Dann ist er schon einmal dort gewesen?«
Aneri nickte.
»Das hast du mir nicht gesagt!« fuhr Goff ihn an, der wieder einen hochroten Kopf bekommen hatte.
»Ich hielt es nicht für wichtig.«
»Alles ist wichtig, verdammt. Alles! Darüber werden wir noch reden, Aneri.«
Das sollten die beiden untereinander ausmachen. Ich wartete, bis sich Goff wieder beruhigt hatte. Dazu trug auch ein kräftiger Schluck Grappa bei. Mich interessierte vor allem und immer noch, wie Fabio auf das
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