Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
Und ihm war nur zu bewusst, was das bedeutete. Er war anders. Womöglich war er nicht einmal ein wirklicher Zwerg. Er hatte sich für eine Laune des Alleserschaffers, ein Versehen und vieles mehr gehalten. Freilich auch für einen Botschafter des Untergangs, denn schließlich kannte er die große Erzferkelprophezeiung, die von dem Zwerg berichtete, der nicht trank. Bei dem Gedanken daran schauderte es ihn jedes Mal aufs Neue.
Aber solange die Splitterspinne nicht zurückgekehrt und der Zwerg mit den goldenen Zähnen nicht geschlüpft war, so lange bedeutete seine eigene Existenz auch nicht das Ende von Zwerg und Zwergeszwerg. Denn der Prophezeiung zufolge bezeichnete erst die Dreiheit der Vorboten seinen Beginn. Hätte Farrnwart etwas von den Gerüchten über die Wiederkehr der Splitterspinne gewusst, ihm wäre weit weniger wohl gewesen…
Er öffnete eine seiner Flaschen und trank. Seine Flaschen waren der wichtigste Teil seines Geheimnisses. Der Inhalt hatte ihn ein kleines Vermögen gekostet. Dafür aber hatte ein verwunderter Wurzelmeister sein Bestes gegeben, um seinen Auftrag zu erfüllen. Für drei Brocken Gold hatte Farrnwart ein Rezept erhalten und fünf Fass voll Wasser, das nach Bier roch und seinen Atem wie den eines Zwergs riechen ließ.
Zwerge waren einfach gestrickt. Man roch nach Bier, grölte laut, trank einen Humpen in einem Zug und schon war man jedermanns Freund. Wenn man dann auch noch wusste, wann man mit Rülpsen, Lallen und Wanken anfangen musste, war der halbe Fels schon gehämmert. Sein Falschbier jedenfalls sorgte dafür, dass er nicht auffiel. Und das war bei Weitem das Wichtigste. Denn er wollte einer von ihnen sein, so gut es ihm eben möglich war.
Seine Begleiter achteten ohnehin mehr auf seine Ferkel als auf ihn. Die drei kurzbeinigen Erzferkel, die kaum größer als ein Bart waren, dichte Wolle und kleine runzelige Rüsselschnauzen besaßen, waren auf verschiedene Metalle abgerichtet: Eisen, Silber und Gold. Grunzend zerrten sie an ihren ledernen Leinen, die Blechboldt bewusst kurz hielt. Sie versuchten, sich durch ihre Maulkörbe zu nagen, rieben ihre Hauer an den Wänden des Ganges und hatten bereits Witterung aufgenommen. Hinter dem Wald mussten riesige Erzvorkommen liegen. Der Geruch unbehandelten Erzes machte die Tiere wild, weshalb sie der sicherste Weg waren, ergiebige Adern im Fels aufzuspüren. Nicht umsonst waren sie heilige Tiere. Sie waren die treuesten Verbündeten des Ehernen Volkes auf seiner unablässigen Suche nach Erz.
Die beiden Stahlgardisten scherten sich weder um die Ferkel noch um ihre Begleiter oder deren Ruf. Ihr Auftrag war, diese Expedition zu beschützen. Um jeden Preis. Abgesehen von den Zwillengabeln auf ihren Armschienen und den Äxten in ihren Gürteln waren sie mit mehrschüssigen Stahlschleudern und Rauchkäferbomben ausgerüstet. Waffen, die ihnen im Falle einer Echsenattacke von Nutzen sein würden. Besonders die Stahlschleudern, in deren Innerem mit Gas gefüllte Käfer am Ende kurzer Läufe ruhten, in denen stählerne Kugeln lagen. Ein Druck auf den Abzug, und der Käfer entlud sich explosionsartig und schleuderte die Kugel mit brachialer Gewalt hinaus. Eine gefährliche Waffe, aber das Erschließen neuer Schürfgründe war ein schwieriges Unterfangen. Besonders, wenn Entzwergte mit im Spiel waren. Die Stahlschleudern waren jedenfalls mit frischen Käfern bestückt und geladen. Die Gardisten waren bereit. Was immer auch auf sie zukommen würde.
Die Expedition schritt unermüdlich voran. Das Licht der Leuchtkäferlaternen in ihren Rucksackhalterungen schwankte über die Wände. Der Steinwald war nicht mehr weit. Sie standen kurz davor, in unerforschtes Gebiet einzudringen.
Es war spät geworden, und sie beschlossen zu rasten. Um Kraft zu tanken, ein Nickerchen zu machen, ein paar Steine zu lecken * und einen Blick auf die Karten zu werfen. Obwohl sie natürlich wussten, wo sie sich befanden. Eigentlich kannten sie auch ihren weiteren Weg. Aber wie sonst als durch eine regelmäßige Kontrolle ihrer Position hätte der mitreisende Kartograf seine Existenzberechtigung unter Beweis stellen können? Unter gewöhnlichen Umständen hätte jedem der Anwesenden dafür ein Kompass und ein gewisses Maß an Zwergenverstand gereicht. Und wahrscheinlich hätten sie auf den Kompass sogar noch verzichten können.
Sie befanden sich am Eingang des Steinwaldes, was vor allem daraus ersichtlich war, dass der Gang zu Ende war und der Steinwald
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