Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
seltsamer Kreaturen und Orten, an denen die Naturgesetze selbst außer Kraft gesetzt waren. Früher hatte es hier anders ausgesehen. Es war eine der schönsten Höhlen überhaupt gewesen, deren Wände von wohlschmeckenden Wurzeln überzogen gewesen waren und die Farne und Büsche jeder erdenklichen Art und eine Vielzahl nützlicher Tiere beherbergt hatte. Bevor die Magier die Höhle als Austragungsort für ihre Wettstreite auserkoren und mit ihrer unheiligen Macht jeden Fels und Stein vergiftet hatten.
Sie hatten neue Zauber ausprobiert, ihre Kräfte gemessen, und Tiere und Pflanzen hatten nach und nach begonnen, sich zu verändern. Die Verheerung des Waldes war schließlich der Grund gewesen, die gemeine Magie in den Grenzen des Ehernen Imperiums zu verbieten. Die Einzigen, die sich während der letzten paar hundert Jahre hierher gewagt hatten, waren die Giftmischer gewesen. Inzwischen nämlich gediehen hier die giftigsten aller Gewächse. Ihre Blätter und Stängel übervoll mit Magie, riefen sie Dinge hervor, die ein anständiger Zwerg seinem schlimmsten Feind nicht gewünscht hätte…
Aber wenn sich nun tatsächlich auch Geächtete hier herumtrieben, dann war der Fluch womöglich gebrochen. Vielleicht hatten sich die magischen Kreaturen nicht weiter fortgepflanzt, die fleischfressenden Pflanzen waren eingegangen, und das Gift war aus der Luft verschwunden.
Wenn dem so war, dann mussten sie sich beeilen. Die Gänge hinter dem Steinwald waren zwar noch nicht erfasst, aber seit Langem war bekannt, dass der Fels dort behaubar und reich an Erz und Silber war. Dementsprechend wichtig war es, das Siegel des Imperiums in ihre Wände zu schlagen. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn die Gänge in die Hände der Entzwergten fielen. Zumal es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um waffenfähiges Erz handelte, das hier in den Wänden ruhte.
Die Expedition war sich ihrer Bedeutung vollauf bewusst. Zwei Erzgänge standen kurz davor zu versiegen, und dem Imperium lag viel daran, neue Schürfgründe zu erschließen. Notfalls auch gegen den Widerstand magisch verseuchter Stachelspeier oder geächteter Wildbärte. Deshalb befanden sich unter den Teilnehmern der Expedition neben ihrem Anführer, einem Siegelhauer, einem Ferkelbändiger und einem Kartografen auch zwei Mitglieder der Stählernen Garde.
Der Anführer der Expedition war Tarrf Dornsturm, ein ehrenwerter Zwerg aus dem Stamm des Feuers, der in den besten Jahren war und im Laufe der Jahrhunderte so manches entdeckt hatte. Einiges davon sogar mehrmals. Sodass er nicht nur das Vertrauen des Leiters des Ehernen Expeditionswesens, sondern auch das des Großen Verwalters genoss. Ein Umstand, dessen er sich ganz gewiss ein weiteres Mal würdig erweisen würde.
Bei dem Kartografen, der von einem schwer beladenen Schieferspringer begleitet wurde, handelte es sich um Borrgok Eisenschleifer, der überzeugt davon war, dass das gesamte Eherne Volk ohne die Fähigkeiten seiner Zunft längst untergegangen wäre. * Eine Fehleinschätzung, die Eisenschleifer jedoch derart überzeugend vorzutragen vermochte, dass ihm kaum jemand widersprechen konnte.
Der Schieferspringer, den er an der Leine führte, war ein besonders kräftiges Exemplar. Er war gut drei Zwerg lang und einen breit. Sein zotteliges Haar fiel über die vier gewundenen Hörner und die kleinen schwarzen Augen und hing ihm bis auf die gespaltenen grauen Hufe hinab. Gutmütig trottete das schwer beladene Tier dem Kartografen hinterher.
Auch der Siegelhauer war ein Meister seiner Zunft. Er brauchte keine zehn Schläge, um das Hammerzepter in den Fels zu schlagen. Und zwar in jeden Fels. In seiner Tasche trug er die erlesensten Werkzeuge, ein meisterhaftes Meißelset vom Leibschmied des Großen Verwalters.
Der Ferkelbändiger, Farrnwart Blechboldt, hingegen war vergleichsweise jung. Er hatte sich in seinem Leben bislang vor allem dadurch ausgezeichnet, sich durch nichts Wesentliches ausgezeichnet zu haben. Er schien weder übermäßig zu trinken noch zu randalieren oder zu streiten. Auch hatte er bisher keinerlei besondere Leistungen erbracht. Tatsächlich verwendete Blechboldt seine gesamte Energie darauf, so unauffällig wie möglich zu sein und sein Leben als kleines, unbedeutendes Zahnrad im Inneren der Weltmaschine zu fristen. Das allerdings fiel ihm nicht immer leicht. Denn Farrnwart Blechboldt hatte ein Problem. Ein gravierendes Problem, das zu verbergen alles andere als einfach war: Er vertrug kein Bier.
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