Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
zusammengesteckt und nur notdürftig von einer einfach geknoteten Prophezeiung zusammengehalten wurde, war allerdings den wenigsten bekannt.
Schleuderstein ging neben Flammrank. Er war der erste Drachenjäger, dem er jemals begegnet war. Er bestaunte seine Tätowierungen, denen jeder seiner Schritte Leben einzuhauchen schien. Die Muster zitterten und bebten; verzaubertes Fleisch auf den Knochen eines Zwergs, dessen Stamm seit Hunderten von Jahren ins Dunkel verbannt war. Es war sonderbar, neben einem solchen Geschöpf zu gehen. Und die Entschlossenheit im vernarbten Gesicht des Drachenjägers ließ Schleuderstein schaudern. Zugleich war ihm jedoch auch bewusst, dass nichts aus Zufall geschah. Alle Dinge hingen irgendwie zusammen. Es fiel ihm nicht schwer zu glauben, dass auch die Drachen etwas mit den verschwundenen Frauen zu tun hatten. Und wenn jemand etwas darüber wusste, dann war es Garstholm Flammrank! Darum sprach Schleuderstein ihn jetzt an: »Ah, Freund Flammrank, auf ein Wort!«
»Was willst du, Zwerg?«
»Bist du wahrhaft ein Drachenjäger?«
»Einer? Der beste! Denkst du, der Verwalter ließe mich sonst hier herumlaufen? Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, mein Stamm steht in dieser Gegend nicht gerade hoch im Kurs…«
Flammrank wies auf das Stammeszeichen, das er über der Rüstung trug.
»Und, hast du schon einmal gegen einen Drachen gekämpft?«
»Denkst du, sie überlassen uns ihre Eier freiwillig?«
»Nein, aber…«
»Na also.«
»Hast du schon einmal einen Hornschuppler gesehen?«
»Hornschuppler, Glimmschwingen, Erzschmelzer und Eisenteufel. Ich habe sie alle gesehen, gegen sie gekämpft und ihre Eier geraubt.«
Schleuderstein wollte eine weitere Frage stellen, doch der Drachenjäger kam ihm zuvor: »Und bevor du fragst: ja. Sie sind schrecklich. Noch weit schrecklicher, als man sich erzählt. Das Feuer einer ausgewachsenen Glimmschwinge kann Knochen schmelzen, der Schrei eines Eisenteufels vermag einen Zwerg zu lähmen, und der Immerflamm ist keine Legende.«
Flammrank hatte nicht sehr laut gesprochen, dennoch fuhren bei der Erwähnung des mythischsten aller Drachen alle Zwerge zu ihm herum. Der Immerflamm, der Urvater allen Feuers, der von den Schwingen bis zur Schwanzspitze aus dem reinsten erdenklichen Feuer bestand. Zu heiß, zu rein, selbst für die begnadetsten Eisenmeister. Der Immerflamm hätte sie erblinden und ihre Ambosse schmelzen lassen, bevor er selbst sich in Asche verwandelte…
Mit offenen Mündern starrten die Übrigen ihn an. Abgesehen vom Höchsten der Hohen. »Der Immerflamm. Pah! Ammenmärchen, um Frischgeschlüpfte staunen und zittern zu lassen. Unsinn.«
Flammrank stieß Schleuderstein zur Seite, ging auf den Hohepriester zu und fauchte ihn an: »Ich habe einen gesehen, Alter! Ich stand am anderen Ende der Drachenhöhle, zwei Hornschupplereier im Rucksack, aber glaub mir, selbst auf zweitausend Zwerg Entfernung waren sein Licht und seine Hitze unerträglich! Einen ganzen Tag lang war ich erblindet. Ich musste mich im Nest einer Kohlekralle verstecken. In meinem Kopf war nichts als Feuer. Und das ist bis heute so geblieben. Wann immer ich schlafe, wann immer ich die Augen schließe, sehe ich ihn, den Immerflamm!« Knapp unterhalb seines Helmes begann eine rote Ader anzuschwellen, beinahe als ob Lava durch sie hindurchtoste. »Er hat mir den Schlaf geraubt! Und fast auch den Verstand! Und du dünnknochiger Olmtreiber willst mir sagen, es gäbe ihn nicht?«
Wutschnaubend starrte der Drachenjäger den Allerpriesterlichsten an. Der erwiderte seinen Blick, schüttelte dann den Kopf und ging weiter.
Flammrank schimpfte ihm wütend hinterher. »Was? Was willst du, du trockener Peststaubfurz? Du hast doch überhaupt keinen Schimmer, was in diesen Gängen vor sich geht! Du kannst einem Olm beim Laufen zuschauen, aber dir nicht einmal deine eigenen Namen merken! Und du gräbst mich von der Seite an?«
Der Alleroberpriesterlichste stapfte mit grimmiger Miene weiter. Flammrank blieb noch einen Moment stehen und verfluchte den Ignorantesten unter den Kleingeistigen leise. Dann atmete er einige Male tief durch und folgte ihm, Schleuderstein noch immer an seiner Seite, in Richtung der zentralmagischen Kammer. Schleuderstein wollte dem Gespräch gern eine andere Wendung geben und zu den Frauen zurückkehren. Sein Gegenüber aber ließ ihn nicht. Schleuderstein hatte noch nicht einmal Luft geholt, da blieb der Drachenjäger plötzlich stehen und packte ihn bei den
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