Aster, Christian von - Die grosse Erdfer
doch nicht viel dazu, ein paar Käfer durch die Gegend zu schleppen.«
»Ha! Du ahnst gar nicht, was ruchlose Zwerge ihm schon alles dafür geboten haben, damit er hier unten etwas mitgehen lässt oder krumme Geschäfte mit uns macht. Und er hat abgelehnt.«
»Wirklich?«
»Jedes Mal. Und darum nennt man ihn auch den Unbestechlichen.«
»Gibt’s ja nicht: Ein Käferschlepper mit einem Titel. Der Unbestechliche… Unglaublich!«
Kopfschüttelnd ging Kastenwurz, der das Gespräch der beiden Gardisten mit angehört hatte, weiter. Er mochte zwar der Unbestechliche sein, aber er hatte ein Angebot bekommen, das er nicht abschlagen konnte.
Er ahnte nicht, dass er niemals bekommen würde, was ihm versprochen worden war.
ZWISCHENKAPITEL
Das Licht, das die geheimste aller Höhlen erfüllte, unterschied sich von dem, das im restlichen Ehernen Imperium herrschte. Es war weder der warme Widerschein von knisternden Fackeln noch das schwache grüne Leuchten summender Käfer. Stattdessen handelte es sich um das blaue Leuchten magischer Steine, die in kleinen silbernen Schalen an den Wänden verteilt waren und in einem Abstand von zwei Zwerg über dem Boden schwebten. Der Schein der magischen Steine vereinte sich zu einer Fläche aus reinem blauem Licht, das die ungewöhnlich glatten Wände erleuchtete und die Halle bis in ihre hintersten Winkel ausfüllte.
Selbst jene Winkel schienen vollkommen glatt und symmetrisch. Dieser ganze Raum war auf magische Weise den Felsen entrissen worden. Magisch erschaffen und magisch beleuchtet. Derart viel Magie war noch an keinem Ort des Ehernen Imperiums geflossen. Wahrscheinlich fand sich nicht einmal im Steinwald so viel. Seinen Schöpfer scherte das jedoch wenig. Und ebenso wenig die damit verbundene Gefahr. Der Meister im Dunkeln fürchtete weder die Verbote des Verwalters noch die Magie selbst. Er kannte die Geheimnisse der magischen Steine. Aus den richtigen Steinen vermochte er alles zu erschaffen, wie sein Schatten es ihn gelehrt hatte. Jetzt und hier aber war es eine neue Ordnung, ein neue Welt, die er erschaffen würde.
Wenn die Halle der Helme das Herz des Ehernen Imperiums war, dann war dieser Ort das Herz des Neuen Stahls. Es war ein kleineres Herz. Aber kräftiger, jünger, magischer. Die Zeremonienhalle des Neuen Stahls war geheimer noch als die verborgenen Höhlen, und nicht ein einziger Zwerg wusste von ihr.
Denn Zwerge trugen Bärte. Hier trug niemand einen Bart.
Im Gegensatz zu den klassischen Höhlen der Zwerge war diese Halle rechteckig. Als wären ihre Wände mit einem magischen Messer und einem unfehlbaren Winkelmaß aus dem Fels geschnitten worden. Makellos und exakt. Genau wie der Neue Stahl es im Vergleich zum Ehernen Imperium sein würde.
An den Wänden hingen tiefrote Banner, von denen sich das Zeichen des Neuen Stahls abhob, das silbern schimmernd an der Stirnseite der Halle aufragte. Die flammende, vierschneidige Axt über dem gespaltenen Amboss.
Heute waren ausnahmslos alle Angehörigen des Neuen Stahls in der Halle versammelt. Geheime Kundschafter, Horchposten, Spione und Soldaten hatten ihre Posten verlassen und die falschen Bärte abgelegt, um in dieser Stunde unter ihresgleichen zu sein und endgültig zum Neuen Stahl zu verschmelzen. Ein nacktes Kinn neben dem anderen standen sie in geraden Linien da und wirkten wie aus Stein gemeißelt, während ihre blauen Schatten an die Wände geworfen wurden.
Die Stammeszeichen auf ihrer Brust, die auf den ersten Blick wie die der zwergischen Stämme aussahen, begannen sich zu verändern und wurden schließlich zum Zeichen des Neuen Stahls, der vierschneidigen Axt über dem gespaltenen Amboss.
Über der ganzen Szenerie lag vollkommene Stille. Eine eigentümliche, schwere Stille. Ansteckend beinahe, als ob jede Kreatur, die ihren Fuß in diese Halle setzte, Teil des Schweigens werden müsste. Ursprung dieser Stille war die Skulptur an der Stirnseite der Halle. Das Wesen des Neuen Stahls selbst, in reines Silber gegossen, fünf Zwerg groß, das bis unter die glatte Decke des Saales reichte und sie alle überragte, mächtiger war als jeder Einzelne von ihnen. Ein gespaltener Amboss, aus dessen Bruchstelle sich eine flammende Axt erhob. Es war keine Axt, wie ein traditioneller Eisenmeister sie geschmiedet hätte. Sie besaß je zwei riesige Schneiden, die übereinander angebracht waren und in einen massiven Griff übergingen. Der Amboss, das Heiligtum des Ehernen Volkes, war gespalten, und
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