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Astrella 02 - Brudernacht

Astrella 02 - Brudernacht

Titel: Astrella 02 - Brudernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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neue Fassade.
    Die Luft an diesem frühen Junimorgen roch nach Frische und versprach einen schönen Tag.
    Er drückte auf den einzigen Klingelknopf des einstöckigen Gebäudes, hörte von drinnen ein schnarrendes Geräusch, als hätte die Klingel Husten, und wartete. Wenig später wurde die Tür geöffnet und eine ältere Frau um die sechzig stand vor ihm. Ihre Augen musterten ihn streng, aber nicht ohne Freundlichkeit.
    »Ja, bitte?«
    »Guten Morgen, Frau …?«
    »Ebersbach.«
    »Guten Morgen, Frau Ebersbach. Mein Name ist Astrella. Ich hätte gern jemanden in der Gemeinde gesprochen, der Pfarrer Bertram kennt.«
    Sofort begannen ihre Augen zu leuchten.
    »Da sind Sie bei mir genau richtig.«
    Sie sagte es in einem Ton, als sei sie ohne jeden Zweifel die einzige Person in der ganzen Gemeinde überhaupt, die ein Recht hätte, von Pfarrer Bertram zu erzählen.
    »Aber wer sind Sie?«, wollte Frau Ebersbach wissen. Astrella hatte damit gerechnet, zunächst mal mehr oder weniger ausgefragt zu werden, und sich deshalb eine kleine Geschichte zurechtgelegt.
    »Ich kenne einen älteren Herrn in Ravensburg, der mich gebeten hat, mich nach Pfarrer Bertram zu erkundigen. Er hat ihn vor etwa dreißig Jahren kennengelernt und Pfarrer Bertram hat ihm wohl bei einer Sache Trost zugesprochen, die ihm viel Kummer bereitet hatte. Da er selbst an den Rollstuhl gefesselt ist, sich aber nach so vielen Jahren noch einmal bei Pfarrer Bertram für diese Hilfe bedanken wollte, bat er mich, nachzufragen, wie es diesem geht.«
    »Ja, ja, genau so war unser Herr Pfarrer. Immer hilfsbereit, immer ein offenes Ohr hat er gehabt für jeden, der darum bat.«
    Astrella ahnte, dass er sich vermutlich mehr anhören musste, als er für sein eigenes Vorhaben zu wissen brauchte. Doch wenn schon, musste er das ja nicht hier im Freien und im Stehen über sich ergehen lassen. Er wollte sich gerade räuspern, als die Haushälterin seine Gedanken offenbar erraten hatte.
    »Wissen Sie was? Kommen Sie doch herein. Ich hoffe, Sie haben ein wenig Zeit mitgebracht, denn über unseren Pfarrer Bertram könnte ich tagelang reden, so ein wunderbarer Mensch ist er gewesen.« Sie rieb sich die Augen: »Wenn nur nicht sein schwaches Herz gewesen wäre.«
    »Selbstverständlich habe ich Zeit. Mein alter Freund würde es mir nicht verzeihen, wenn ich ihm nicht alles von Pfarrer Bertram erzählen würde, was ich erfahren kann.«
    Zehn Minuten später hatten die geschickten und Arbeit gewohnten Hände von Frau Ebersbach einen herrlich duftenden Kaffee gezaubert, der aber nicht an den von Frau Klimnich herankam. Astrella musste unwillkürlich schmunzeln. Offenkundig hatte Frau Ebersbach das Zimmer bereits kräftig durchgelüftet; es roch hier drinnen nicht anders als draußen. Astrella war sich sicher, dass in diesem Haus nicht ein Staubkorn eine Chance hatte, der Energie und Entschlossenheit von Frau Ebersbach zu entkommen.
    Als er die Tasse auf den Tisch stellte, fiel ihm auf, dass aus einem anderen Raum leise Musik erklang. Er erkannte Rudolf Schock, der gerade davon sang, dass er in seinem Herzen einen wundersamen Schmerz hätte. Mein Gott!, dachte er, wie lange ist das jetzt schon her, seit ich dieses Lied zum letzten Mal gehört habe? Seine längst verstorbenen Eltern hatten den Tenor zu ihrem Lieblingssänger auserkoren und entsprechend oft die Schallplatten gespielt. Astrella spürte, wie ihn eine wehmütige Stimmung zu überwältigen drohte.
    »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, wenn ich von Pfarrer Bertram erzähle«, holte ihn die lebhafte Stimme von Frau Ebersbach in die Wirklichkeit zurück.
    »Kennen Sie ihn denn persönlich?«
    »Natürlich! Ich habe einundzwanzig Jahre lang seinen Haushalt geführt, so lange wie keine vorher. Zwei waren es gewesen. Beide noch recht jung. Haben es aber nur ein paar Jahre ausgehalten. So eine Arbeit in der Pfarrei ist nicht einfach, da muss man sich ranhalten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Astrella lächelte.
    »Es ist ja nicht so, dass man sich dabei nur um den Herrn Pfarrer kümmern muss. Nein, man ist praktisch Ansprechpartner für die ganze Gemeinde. Jeder will was vom Herrn Pfarrer, am liebsten zu jeder Tages-und Nachtzeit. Als sei so ein Pfarrer kein Mensch, sondern ein Automat, an dem sich jeder bedienen darf, wenn es ihm gerade in den Sinn kommt. Oh, ich könnte Ihnen Dinge erzählen, Herr Astrella, die würden Sie mir nicht glauben. Besonders die Frauen lassen so einen armen Mann nicht in Ruhe. Und

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