Astrella 02 - Brudernacht
See hinaus, als Micha fragte. Um sie herum lachten und scherzten Menschen, die Sonne trug ihren Teil zur fröhlichen Stimmung bei. Tatsächlich war es ein Tag zum Heiraten. Trotzdem versetzte Maxi ihm schmunzelnd einen zärtlichen Knuff in die Seite.
»Ich erkenn’ dich ja nicht wieder! Wie kommst du denn darauf?«
Micha starrte, etwas verlegen werdend, weiter auf den See mit den vielen Booten und Schiffen hinaus.
»Na ja, ich mein’ ja bloß.«
»Für ›mein’ ja bloß‹ ist das aber eine ziemlich große Sache.«
»Ich mein’ ja bloß, ich könnte mir das gut vorstellen, mit dir zusammen.«
»Du willst sagen, mit allem Drum und Dran? Also auch Kindern?«
Jetzt sah Micha seiner Freundin direkt ins Gesicht.
»Ja, natürlich, auch Kinder. Oder magst du keine?«
»Ich schon. Aber dass du dir dich plötzlich als Vater vorstellen kannst, überrascht mich schon ein wenig. – Bei deinem Lebenswandel.«
Bei dieser letzten Bemerkung hatte Maxi neckisch gelacht und Micha einen weiteren Knuff versetzt. Der verstand sofort, nahm sie in die Arme und eng umschlungen gingen sie weiter.
»Komm, du heiratswütiger junger Mann: Lass uns einen Cappuccino trinken.«
»Hier an der Promenade, in deinem Lieblingscafé?«
»Ja«, sagte Maxi nur und schaute Micha zärtlich an.
15
»Wir müssen etwas unternehmen. Der Junge stellt uns das ganze Heim auf den Kopf.«
Schwester Kordula nickte. Herr Auerbach, der neue Heimleiter, sprach ihr aus der Seele. Sie mussten wirklich etwas unternehmen – aber was?
»Wir können nicht zulassen, dass er den anderen ständig die Haare ausreißt, sie schlägt und die Treppen hinunterstößt. Das geht einfach nicht.«
»Die Mutter?«, fragte Schwester Kordula.
»Das geht nicht – leider.«
Schwester Kordula hatte diese Antwort erwartet. Es war nun mal eben so, wie es war. Außerdem wäre es nur eine Lösung für das Heim, nicht jedoch für die Mutter. Der Junge lehnte sie ab, sei es durch Schreien oder stummes Abwenden. Sie hatte schon beobachten können, wie er die ganze Zeit ihres Besuchs nur schweigend zum Fenster hinausgestarrt hatte, bis seine Mutter verstummte und ging.
»Er ist krankhaft selbstverliebt.«
»Das sind doch die meisten der Kinder«, erwiderte Herr Auerbach, sich dabei eine Strähne seiner vollen rotblonden Haare aus der Stirn streifend. »Es gibt ja auch genügend Erwachsene, die in dieser Richtung hervorragende Vorbilder abgeben.«
»Aber bei Peter ist das was anderes. Bei ihm ist es viel ausgeprägter als bei den anderen.«
»Hat er denn keine Hobbys?«
»Sie haben sie bereits aufgezählt.«
Auerbach schaute sie fragend an. »Ich verstehe nicht …«
»Haare ausreißen, schlagen und …«
»Sie haben einen sarkastischen Humor, Schwester Kordula«, unterbrach Auerbach sie, wobei ein kurzes Lächeln um seine Mundwinkel spielte. »Ich meine, für eine katholische Ordensschwester.«
»Das Leben ist nun mal so.«
»Ja, leider. Aber das ist keine Lösung für unser Problem.«
»Ich hätte einen Vorschlag zu machen. Vielmehr stammt er von unserem Hausmeister.«
»Was, von dem? Ich wusste gar nicht, dass der Pädagoge ist. Aber gut, erzählen Sie!«
Schwabbel legte sich mit seinen 130 Kilo auf die Parkbank, streckte die Füße aus und ließ die Sonne auf sich scheinen. Das Leben konnte schön sein, auch wenn man wie er die fünfzig bereits weit hinter und keine große Zukunft mehr vor sich hatte. Aus seinem dichten ungeschorenen Bart entwich ein zufriedenes Grunzen an der Stelle, wo sich wohl sein Mund befand. Während er die Wärme genoss, hörte er den Lärm der auf dem nahen Spielplatz spielenden Kinder. Schwabbel liebte diesen Platz, von dem ihn außer den Bullen niemand vertrieb. Anfangs hatten verschiedene Eltern Stunk gemacht und die Bullen gerufen, weil sie um ihre Kinder fürchteten. Doch inzwischen schienen sie ihn soweit akzeptiert zu haben, dass er wenigstens vor ihnen seine Ruhe hatte. Und mit den Kindern gab es sowieso keine Probleme; Schwabbel liebte Kinder. Ein Heidenspaß gab es immer dann, wenn sie mit ihm Fangen spielten. Klar hatte er keine Chance, die flinken und wuseligen Kleinen zu erhaschen beziehungsweise ihnen zu entkommen. Aber das war auch nicht entscheidend. Vielmehr kam er sich dabei manchmal vor wie der gute Opa, und dieses Gefühl ließ ihn die ganze Unbill des Lebens für kurze Zeit vergessen. Und er hatte keine Lust, sich mit seiner Vergangenheit zu belasten, zumal er an der nicht ganz unschuldig war.
»Hallo,
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