Asylon
wiedergesehen. Ein paar Monate später haben wir eine zweite Gruppe
losgeschickt. Das gleiche Ergebnis. Wir wissen nicht, was ihnen dort zugestoßen
ist, aber wir glauben, dass es nichts Gutes war. Wahrscheinlich wurden sie von
den Städtern getötet.«
»Woher willst du das wissen?«,
fragte Torn ungläubig. »Vielleicht sind sie geblieben, weil es ihnen dort so
gut gefiel.«
Wieder ging ein Raunen durch die
Menge. Einzelne Stimmen wurden etwas lauter.
»Nein.« Beck schüttelte grimmig
den Kopf. »Es waren Männer darunter, die hier ihre Frauen und Kinder zurückgelassen
haben. Sie sind tot, oder Schlimmeres ist ihnen zugestoßen, da bin ich absolut
sicher.«
Torn erkannte, dass er einen
schmerzhaften Punkt berührt hatte. Einige der Menschen um ihn herum sahen ihn
auf einmal geradezu feindselig an. Es schien ihm ratsam, das Thema nicht zu
vertiefen. Aber der Gedanke an die andere Stadt ließ ihn nicht los. »Könnt ihr
mich dorthin bringen?«
Abermals schwoll das Gemurmel an.
Beck hob die Arme und bedeutete seinen Leuten zu schweigen. »Du wirst sterben
oder verschwinden wie die anderen«, sagte er zu Torn mit finsterem Blick.
»Kann sein. Aber vielleicht finde
ich auch heraus, was mit den anderen passiert ist. Ich komme zurück, das verspreche
ich euch.«
»Ich will nicht noch mehr meiner
Männer verlieren.«
»Ihr braucht mich nur so weit zu
begleiten, dass ich meinen Weg von allein finde«, erklärte Torn.
Doch Beck schüttelte den Kopf.
»Wenn du dich unbedingt umbringen willst, brauchst du nur der Straße zu folgen.
Sie führt dich direkt dorthin.«
»Stopft ihm sein dummes Maul!«,
ertönte es von irgendwo aus der Menge.
Torn erkannte, dass die Stimmung
umgekippt war. Die Menschen waren mittlerweile gegen ihn.
Vielleicht sollte ich einfach um ein paar Vorräte bitten und mich dann
aufmachen.
Doch ihm war nicht wirklich wohl
bei dem Gedanken. Irgendwie sagte ihm sein Instinkt, dass er bisher eine Menge
Glück gehabt hatte, vor allem, wenn er an die vergangene Nacht dachte. Wer
konnte schon wissen, was dort draußen alles auf ihn lauerte. Selbst wenn ihn
die Straße direkt ans Ziel brachte, nützte ihm das nicht viel, wenn er von einer
Schlange gebissen oder von jenen Raubtieren angefallen wurde, deren Heulen er
in der Nacht gehört hatte. Aber zu bleiben war keine Alternative. Wenn er nur
wüsste, wie …
»Ich werde ihn führen!«
Der Satz schlug in den Raum ein
wie ein Blitz. Torn schaute überrascht auf und folgte den Blicken der anderen,
die sich auf den Glatzkopf richteten. Er zwinkerte Torn zu. Sein breites
Lächeln enthüllte eine Reihe krumm gewachsener, gelblicher Zähne.
Atemlos blätterte Saïna
die Aktenmappe durch. Sie enthielt eine Fülle von Details über eine Frau
namens Edina Hoff, die sich Saïnas Gesicht ausgeliehen zu haben schien.
Schließlich gelangte sie bei einem Zeitungsartikel an. Unter der Headline Edina Hoff neue Leiterin des Voiding-Projekts war abermals
ein Foto der Frau abgebildet, die ihr zum Verwechseln ähnlich sah, diesmal
lächelnd in einem weißen Kittel. Saïna betrachtete das Foto eine Weile lang.
Fast kam es ihr vor, als würde es eine Erinnerung in ihr freisetzen, dann
schüttelte sie den Kopf und las den Artikel, den laut Eingangstext ein gewisser
George A. Baldacci verfasst hatte:
Dr. Edina Hoff, bisher Stellvertretende Leiterin des Institute
of Psychoengineering an der University of Los Angeles, wechselt zum führenden
Anbieter für private Justizvollzugsdienstleistungen SecuCorp Inc. ( NYSE: SXW ). Laut
der Geschäftsführung von SecuCorp wird Dr. Hoff die Leitung des sogenannten
Voiding-Projekts übernehmen. Hierbei soll es sich um ein revolutionäres
Verfahren zur mentalen Beeinflussung von Straftätern mittels künstlicher Viren
handeln, die auf Nanotechnologie beruhen. Sowohl SecuCorp als auch die an dem
Projekt beteiligten Regierungsbehörden verweigern jedoch jegliche Auskunft
über genauere Motive und Hintergründe des Projekts und verweisen auf dessen
offizielle Einstufung als top secret. Laut Informationen, die aus dem Umfeld
des Justizministeriums durchsickerten, steht das Voiding-Projekt aber in
direktem Zusammenhang mit jener hochmodernen Hochsicherheitsanstalt, die seit
einigen Jahren auf dem Gelände der ehemaligen Stadt Palm Springs im Bundesstaat
Kalifornien unter Ausschluss der Öffentlichkeit entsteht. Palm Springs war nach
einem verheerenden Störfall in einer nahe gelegenen nuklearen
Wiederaufbereitungsanlage jahrelang nur
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