Asylon
noch eine Geisterstadt.
Weder Dr. Hoff noch Warren McDunn, Vorstandsvorsitzender von
SecuCorp, waren zu einer Stellungnahme bereit.
Saïna blätterte weiter
zur nächsten Seite. Wieder ein Zeitungsartikel. Diesmal mit der Überschrift SecuCorp-Angestellte verschwindet bei Gefangenentransport .
Der Artikel datierte etwa ein Jahr später, war aber von demselben Journalisten
verfasst.
Ängstlich sah sich Saïna noch
einmal im Vorzimmer von Vanderbilts Büro um, doch nichts schien sich verändert
zu haben. Dann begann sie wieder zu lesen:
Laut einem dieser Zeitung vorliegenden internen Bericht der
Firma SecuCorp ist es bei einem Gefangenentransport zu der von SecuCorp im
Riverside County in Kalifornien betriebenen streng geheimen
Hochsicherheitsanstalt zu einem Zwischenfall gekommen. Obwohl der Bericht die genaueren
Umstände nicht detailliert, geht daraus hervor, dass die Leiterin der
Psychologischen Abteilung von SecuCorp, Dr. Edina Hoff, die den Transport
begleitete, und der namentlich nicht genannte neue Anstaltschef, der sich
offensichtlich auf dem Weg zum Dienstantritt befand, seit diesem Zwischenfall
als vermisst gelten. Auch der verurteilte Serienmörder Edward A. Curtis sowie
sein wegen versuchter Gefangenenbefreiung verurteilter Bruder William Curtis
und dessen Freund …
»Hilfe!«
Saïna schreckte hoch. Es war nur
sehr schwach zu hören gewesen. Oder hatten ihr die Nerven einen Streich gespielt?
Hektisch sah sie sich erneut in dem Raum um. Dann fiel ihr auf, dass die Tür
zum Büro des Gouverneurs auf einmal einen Spaltweit offen stand. War das
bereits so gewesen, als sie das Vorzimmer betreten hatte? Die Alternative jagte
ihr einen Schauer über den Rücken.
Eine penetrante Fäulnis lag
plötzlich in der Luft.
»Hilfe.«
Wieder. Diesmal war es sehr viel
deutlicher zu hören gewesen. Saïna meinte Poosahs Stimme erkannt zu haben. Sie
klang verzweifelt. Saïna spürte, dass der Moment der Entscheidung gekommen war.
Was immer ihr die Aktenmappe noch zu offenbaren hatte, sie würde es später
lesen. Falls sie dann noch dazu in der Lage war.
Sie zog die Pistole aus ihrer
Hosentasche und betrachtete sie einen Moment lang. Schwer lag sie in ihrer
Hand. Musste man diese Dinger nicht irgendwie entsichern? Sie suchte nach einem
Hebel, wie sie ihn bei anderen Waffen gesehen zu haben meinte, fand aber nichts
dergleichen. War sie überhaupt geladen?
Warum habe ich
das nicht gefragt, als ich noch konnte?
In der Hoffnung, dass die Waffe
zumindest ihr Drohpotenzial entfalten würde, atmete sie durch und ging zur Tür.
Vorsichtig lugte sie durch den Spalt.
Nichts. Dunkelheit.
Lautlos schlüpfte sie hindurch.
Der Fäulnisgestank wurde unerträglich.
»Willkommen«, ertönte eine nur
allzu bekannte Stimme nicht weit von ihrem Ohr.
Dann ging das Licht an. Saïna
stand direkt in der Hölle.
Die Schlange starrte
Torn an. Das heißt, er glaubte, dass es so war. In der Dunkelheit sah es aus,
als würde ein Ast ein wenig aus dem Boden ragen. Wäre da nicht dieses Rasseln
gewesen, er hätte nicht einmal gewusst, dass er sich in Gefahr befand.
»Ich würde mich nicht bewegen,
wenn ich an deiner Stelle wäre.«
Das war Lubansky, sein Führer,
der sich hinter ihm befand.
»Danke für den Tipp. Ich wollte
nämlich eigentlich gerade einen Tanzaufführung geben.«
Das Rasseln hatte noch einmal
zugelegt, und der Schatten hatte sich ein wenig gesenkt. Torn ging davon aus,
dass die Schlange ihren Körper wie eine Feder zum Sprung spannte, und er
spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken herunterrann. Es kitzelte, aber er wagte
nicht, sich zu rühren.
»Was mache ich jetzt?«, flüsterte
er.
»Wie bitte?«
»Ich fragte,
was ich jetzt tun soll!«
Das Rasseln schwoll abermals an,
der Schatten vor ihm am Boden bewegte sich.
»Ich glaube, sie will springen«,
sagte Torn.
»Das ist schlecht.«
»Das weiß ich selbst, du Penner.
Kannst du vielleicht irgendwas anderes tun, als dumme Sprüche klopfen«, zischte
Torn.
»Mal sehen«, murmelte Lubansky
hinter ihm. Torn konnte hören, wie er in irgendetwas wühlte. Wahrscheinlich der
Pelzbeutel, den er mitgenommen hatte und der, soweit Torn wusste, einen Teil
ihrer Vorräte enthielt. Der dunkle Schatten vor ihm rasselte immer noch …
Dann schlug die Schlange zu.
Torn hatte überhaupt keine
Chance. Wie ein Blitz schoss der Schatten in die Höhe und auf seinen
Oberschenkel zu. Er spannte die Muskeln an in Erwartung des Schmerzes.
Dann ein Klatschen, und die
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