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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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um und
grinste. »Das Gefängnis, dessen Insassen nicht wissen, dass sie gefangen sind,
mein Sohn. Und nun lass mich in Ruhe.«
    Er wandte sich wieder der
Skulptur zu.

15
    Torn lag bäuchlings auf
der Hügelkuppe und traute seinen Augen nicht. Die kleine Ansiedlung, die etwa
dreihundert Meter unter ihm in einer Talmulde lag, schien alle seine Hoffnungen
Lügen zu strafen. Etwa zwei Dutzend primitive Hütten aus aufgeschichteten
Felsbrocken und von der Hitze festgebackener Erde, schmutzige Menschen in
zusammengestückelten Tierpelzen und mit Werkzeugen aus Stein. Das sah eher nach
den Anfängen der Menschheit aus als nach der überlegenen Zivilisation der
Offlands, die ihm Scooter prophezeit hatte. Konnte es sein, dass es in der Außenwelt
eben doch nur halb verhungerte Elendsnomaden aus den südlichen Regionen gab,
wie es in der Stadt gängige Meinung war? Aber wer war dann für die Straße verantwortlich,
die ihn hergeführt hatte? War sie doch viel älter, als er vermutet hatte, noch
aus der Zeit vor dem Surge?
    Er beschirmte die Augen mit der
flachen Hand vor der untergehenden Sonne, um mehr Details erkennen zu können.
Ein kleines Rudel Kinder spielte zwischen den kugelförmigen Hütten fangen, der
Wind trug ihr vergnügtes Lärmen an sein Ohr. Vor dem Eingang der Hütte, die
ihnen am nächsten war, saß ein alter Mann und schabte mit einem Stein
gemächlich Späne von der Spitze eines Holzpfahls. Aus einem Loch im Dach der
Hütte drang der Rauch eines Feuers. Eine Frau schöpfte aus einem am Rand der
Siedlung fließenden Bach Wasser und trug es dann in einem einfachen Tonkrug
durch die Reihen der Hütten. Ein Stück in seine Richtung vor dem Dorfrand saß
beziehungsweise stand eine Gruppe weiterer Frauen verschiedensten Alters, in eine
lebhafte Diskussion vertieft. Auffällig wenige Männer waren unterwegs.
Möglicherweise hielten sie sich in der etwas größeren Hütte in der Mitte der
Siedlung auf, die vielleicht so etwas wie ein Versammlungsort war.
    Die Menschen hatten
wettergegerbte Haut und waren mager, aber sie wirkten nicht unbedingt, als
würden sie kurz vor dem Verhungern stehen. Torn wusste nicht, was er von all
dem halten sollte. Selbst wenn es sich nicht um Hungerflüchtlinge handelte,
nicht um ausgezehrte Vagabunden, die nur auf den richtigen Moment für eine
Transgression warteten, so war er doch zutiefst enttäuscht. Er wusste nicht,
was er eigentlich erwartet hatte, aber sicherlich etwas Besseres als dieses Häuflein
verwilderter Menschen in ihren Erdhütten.
    Was sollte er tun? Kontakt mit
ihnen aufnehmen? Dafür sprach die Tatsache, dass er nach gut vierundzwanzig
Stunden Wanderung bereits seinen kompletten Wasservorrat aufgebraucht hatte.
Auch von der Nahrung, die er sich mitgenommen hatte, waren nur noch kleine
Reste übrig. Die Nacht hatte er mehr oder weniger schlaflos verbracht, denn in
der Dunkelheit schien das öde Land erst richtig zum Leben zu erwachen. Überall
um ihn herum hatte es gekrabbelt, gekratzt und gewispert. In der Ferne hatte er
das Heulen eines größeren Tieres gehört. Er war sich schutzlos und nackt
vorgekommen, auf eine Weise, die er zuvor noch nicht gekannt hatte. Die
Gemeinschaft der Menschen dort unten konnte ihm immerhin eine gewisse
Sicherheit bieten. Andererseits war es vielleicht besser, sie noch ein wenig zu
beobachten und zu belauschen, bevor er sich ihnen quasi auslieferte.
    Ein scharrendes Geräusch hinter
ihm ließ ihn erstarren.
    »Keine Bewegung, Fremder!«,
zischte eine männliche Stimme über ihm.
    Noch bevor sich Torn auf den
Rücken drehen konnte, wurde ihm ein Fuß in den Nacken gesetzt, der ihn auf den
Boden nagelte.
    »Wenn ich sage, keine Bewegung,
dann meine ich das auch. Beim nächsten Versuch hast du meinem Speer im Rücken,
kapiert.«
    Torn nickte. Der Mann sprach
akzentfreies Englisch. Also konnte er nicht von allzu weit her sein.
    »Bist du aus der Stadt gekommen,
um uns auszuspionieren?«, hörte er eine andere, ebenfalls männliche Stimme.
    Torn schüttelte den Kopf.
    »Warum sollten wir dir glauben?«,
fragte die erste Stimme.
    »Nimm endlich den Fuß weg, und
ich erklär’s dir«, antwortete Torn, dem der felsige Untergrund allmählich etliche
Druckstellen bescherte.
    »Nicht, bevor ich weiß, ob ich
dir trauen kann, Fremder.«
    »Mein Name ist Torn Gaser. Ich
bin erst gestern über die Grenze gekommen. Ich wusste nicht mal, dass es hier
Menschen gibt.«
    Einen kurzen Moment lang
herrschte Schweigen. Torn nahm an, dass über ihm

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