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Asylon

Asylon

Titel: Asylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Schlange
fiel leblos zu Boden.
    Atemlos starrte Torn auf den
dunklen Schatten, der sich weder rührte noch rasselte. Irgendetwas hatte das
Reptil erwischt und niedergestreckt, kurz bevor es ihn hatte erreichen können.
Alles war wie in Zeitlupe abgelaufen. Torn stolperte ein paar Schritte zurück,
weg von der Schlange, und drehte sich um. Vor ihm, mit der Scheibe des Mondes
im Rücken, stand Lubansky. In seiner Hand hing eine Art Lederschlaufe mit einer
Verdickung in ihrer Mitte. Eine Schleuder. Torn wusste nicht, ob er seinem
Führer um den Hals fallen oder ihn verprügeln sollte.
    Lubansky steckte die Schleuder
gemächlich in seinen Rucksack zurück. »So. Und wenn ich das nächste Mal sage,
du sollst auf der Straße bleiben, dann bleibst du auf der Straße«, sagte er, ohne
Torn anzusehen.
    Torn entschied sich innerlich für
die Prügelvariante. »Ich dachte nur, ich hätte dort hinten ein Licht gesehen.
Wie das erleuchtete Fenster eines Hauses.«
    »Du wirst gleich noch viel mehr
Lichter sehen«, brummte Lubansky. »Und jetzt weiter. Wir sollten dort lieber
vor Tagesanbruch ankommen.«
    Er schulterte den Pelzsack und
ging in seinem gemächlichen Trab weiter. Das Mondlicht spiegelte sich auf
seiner Glatze. Torn warf einen letzten Blick auf den Schatten, der etwa drei
Meter von ihm entfernt leblos auf dem Boden lag. Dann zog er die Riemen seines
Rucksacks stramm und trottete seinem Führer hinterher.

    Edward wartete.
    Er wartete in seinem persönlichen
Reich, in dem Hort des Todes, den er sich geschaffen hatte und in dem er sich
an seinen Taten ergötzen konnte.
    An diesem Ort sammelte er seine
Trophäen.
    Sie war gekommen. Er hörte sie im
Vorzimmer. Die Frau aus dem Leichenraum im Polizeihauptquartier, die ihm
entkommen war. Er hatte sie hergelockt.
    Sie kam, um das Mädchen zu
befreien, das sich direkt vor ihm befand und das er mit einem Arm gegen sich
drückte. Ein Knebel verschloss der Kleinen den Mund.
    Ursprünglich war es der Frau
darum gegangen, die Hintergründe des Todes ihrer besten Freundin aufzuklären.
Lydia oder Lynn oder etwas in der Art hatte sie geheißen. Edward hatte sie
sterben sehen.
    Mit seinem Fernglas hatte er in
sicherer Entfernung von der Grenze im Sand gelegen. Dann kam der Moment, als
der Auslösemechanismus unter ihren Füßen klickte. Zwar hatte er es von dort, wo
er sich befunden hatte, nicht hören können, aber er hatte es durch sein
Fernglas in ihrem Gesicht gesehen, als sie einen Blick zurückwarf. Ihren
allerletzten Blick. Das Aufflackern der Erkenntnis, dass sie betrogen worden
war. Dann hatte sie versucht weiterzulaufen. Sie hatte es nicht wahrhaben
wollen. Wie all die anderen. Sinnlos. Die Explosion hatte sie zerfetzt.
    Es war unglaublich, wie bereit
die Menschen waren, einer schönen Lüge zu glauben und dafür sehenden Auges in
den Tod zu laufen. Und er war ein Meister der Manipulation.
    In jener anderen Welt hatte ihn
mal jemand ein Monster genannt. Nicht ohne Stolz konnte Edward sagen, dass er
diese Beschreibung sicherlich mehr als erfüllte. Dabei hatte er seine Neigung , wie er es selbst nannte, erst recht spät entdeckt.
Der älteste Sohn eines neuseeländischen Einwandererpärchens mit reichlich
Maoriblut hatte nach dem Abschluss seines Ingenieurstudiums mit Auszeichnung
schnell eine Anstellung bei der Efficient Solutions Inc. gefunden, einer
US-amerikanischen Waffenschmiede, wo er für die Entwicklung neuer Antipersonenminen
zuständig gewesen war. Zwar gab es schon seit etlichen Jahrzehnten ein
weltweites Abkommen, das die Herstellung und den Einsatz dieser Art Waffen
ächtete, aber die USA waren ihm niemals beigetreten. Trotzdem war die
Tätigkeit seiner Abteilung – wohl aus Gründen politischer Kosmetik – als top secret eingestuft gewesen. Für Edward eine eher lästige
Begleiterscheinung seines Berufs, denn statt in seinem Umfeld mit den
Ergebnissen seiner Ingenieurskunst glänzen zu dürfen, musste er eine wenig
glorreiche Legende pflegen, der zufolge er an der Konstruktion eines
neuartigen, hydraulisch gesteuerten Allradantriebes für Militärfahrzeuge
mitwirkte.
    Seinem erfinderischen Eifer tat
dies indes keinen Abbruch. Und so überraschte er seine Vorgesetzten mit immer
neuen Entwürfen, die sich an Einfallsreichtum und Perfidie nur so überboten.
Sein besonderer Stolz galt einer Mine, deren Auslöser eine
Stimmmustererkennung war, auf so hohe Frequenzen kalibriert, dass das Ding nur
hochging, wenn sich Kinder in unmittelbarer Nähe aufhielten. Leider

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