Aszendent Blödmann
ist er gesundheitlich fast vollständig wiederhergestellt, trotzdem hat er sich dafür entschieden, nicht an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Zum nächsten Ersten wird er unser Hotel verlassen und in den Vorruhestand gehen. Natürlich respektieren wir diese Entscheidung – auch wenn wir ihn menschlich und fachlich vermissen werden.«
All das hatte Ilka völlig monoton und emotionslos heruntergebetet. Meine Güte, im Vergleich zu ihrer kurzen Ansprache war selbst die telefonische Zeitansage ein echtes Rührstück. »Wie Sie ja alle wissen, leidet die Marketingabteilung, seit Charlotte Sommer ihren Erziehungsurlaub angetreten hat, ohnehin unter einem personellen Engpass. Da alle Werbe- und PR-Maßnahmen unseres Unternehmens, die Häuser in Salzburg und in Hamburg eingeschlossen, weiterhin zentral von hier aus gesteuert werden sollen und das hundertjährige Bestehen des Hotels, das mit erheblicher Mehrarbeit für die Marketingcrew verbunden ist, immer näher rückt, besteht akuter Handlungsbedarf. Um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen, möchten wir aus diesem Grund den Posten des Abteilungsleiters schnellstmöglich neu besetzen.« Bei den letzten Worten blieben ihre Augen auf mir ruhen.
Halt, Moment mal! Das ging mir jetzt ein kleines bisschen zu schnell! In meinem Körper breitete sich ein nervöses Kribbeln aus, und die Gedanken in meinem Kopf purzelten wild durcheinander. Ich rutschte voller Unbehagen auf meinem Stuhl herum. Bei aller Freude – auf einen solchen Karrieresprung war ich nicht vorbereitet. Weder hatte ich eine Flasche Sekt kalt gestellt, noch hatte ich mich besonders in Schale geschmissen. Außerdem hätte ich gerne ein bisschen Zeit gehabt, mir ein paar warme Dankesworte zurechtzulegen.
»Da Sie Norbert ja bereits seit einigen Wochen erfolgreich vertreten, habe ich bei der Neubesetzung seines Postens natürlich sofort an Sie gedacht, Melina.« Ilka machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: »Aber der erste Gedanke muss nicht zwangsläufig der beste sein.«
Wie bitte? Wie zum Kuckuck sollte ich das denn nun verstehen? Irgendwie hatte ich plötzlich so ein Gefühl, dass ich weder den warmen Sekt noch die warmen Dankesworte brauchen würde.
»Wie lange sind Sie schon bei uns?«
Während ich mich räusperte, rechnete ich im Stillen nach. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass mir im Eifer des Gefechts kein Fehler unterlief, nahm ich unter dem Tisch meine Finger zu Hilfe. »Im Herbst werden es fünf Jahre.«
Ilka nickte mit sorgenvoller Miene. Offenbar hatte ich gerade ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. »Fünf Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Das spricht einerseits für Sie, weil Sie mit unserem Hotel und den Abläufen bestens vertraut sind. Andererseits wird man mit den Jahren bekanntlich ein wenig betriebsblind. Und seien wir doch mal ehrlich: Ein bisschen frischer Wind kann dem alten Kasten hier sicher nicht schaden.« Beifall heischend schaute sie in die Runde. »Ich habe mich deshalb entschieden, einen neuen Mitarbeiter ins Team zu holen, der vorerst gleichberechtigt mit Melina arbeiten wird. Wie heißt es doch so schön: Konkurrenz belebt das Geschäft.«
Konkurrenz belebt das Geschäft? Ja klar, und den Letzten beißen die Hunde. Heiße Tränen des Zorns und der Enttäuschung schossen mir in die Augen. Schämte die blöde Kuh sich eigentlich gar nicht, mir erst eine Beförderung in Aussicht zu stellen und mich dann mit so einer hohlen Floskel abzuspeisen?!
»In jedem Fall können Sie alle sich von Ihrem neuen Kollegen bestimmt einiges abschauen, denn er ist ein echter Marketingprofi.«
In meinem Inneren brodelte es wie in einem Vulkan. Wenn der Neue von Ilka als Profi bezeichnet wurde, was war ich dann in ihren Augen? Ein Anfänger? Ein Amateur? Eine Niete?
»In ein paar Wochen werden wir dann entscheiden, wer von Ihnen als Marketingleiter das Kommando übernimmt.«
Ich versuchte vergeblich, mit Conrad Blickkontakt aufzunehmen. Ob er von der Entscheidung seiner Tochter gewusst hatte?
Ilka drückte den Knopf der Gegensprechanlage, die vor ihr auf dem Konferenztisch installiert war. »Marianne, schicken Sie doch bitte unseren neuen Kollegen herein.«
»Mensch, das kann die doch nicht machen«, flüsterte Verena neben mir schockiert.
»Du siehst doch, dass sie das kann«, krächzte ich heiser.
Ich versuchte, den schalen Geschmack in meinem Mund mit einem großen Schluck Kaffee hinunterzuspülen. Erfolglos. Denn bevor das schwarze Gebräu die Reise in meinen
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