Aszendent Blödmann
zuckte Charlotte die Achseln. »Er ist auch bloß ein Mann.«
»Ja, schon. Aber doch nicht so einer!« Per Zeichensprache gab ich ihr zu verstehen, was ich von ihren Unterstellungen hielt: gar nichts.
Charlotte stieß einen tiefen Seufzer aus, bereits den zweiten an diesem Abend. »Eigentlich bin ich es ja selbst schuld. Ich hätte Andreas niemals heiraten dürfen. War ja klar, dass das schiefgeht. Schließlich hat er nie einen Hehl aus seinem Sternzeichen gemacht. Widder können einfach nicht treu sein, selbst wenn sie es wollten. Das liegt ihnen im Blut.«
»Ach, Bullshit! Verschon mich bitte mit diesem halb garen Mist.«
Astrologie war Charlottes Steckenpferd. Ihrem Zeitungshoroskop vertraute sie mehr als dem Wetterbericht. Im Gegensatz zu meiner Freundin, die sofort ein halbes Dutzend Lottoscheine ausfüllte, wenn irgendein zwielichtiger Wald- und Wiesensterngucker, der in Wirklichkeit ein arbeitsloser Sozialpädagoge und Hartz-IV-Empfänger war, ihr eine Glückssträhne voraussagte (gewonnen hatte sie noch nie etwas), hielt ich mich lieber an die Fakten.
»Wie kommst du denn überhaupt darauf, dass er eine Affäre hat?«
»Er duscht jeden Morgen.«
»Ja und?!« Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum regelmäßige Körperhygiene ein Indiz für Andreas’ Untreue sein sollte. »Die meisten Menschen duschen einmal am Tag.«
»Ich nicht.«
Plötzlich war der grimmige Gesichtsausdruck verschwunden. Eine vorwitzige Träne stahl sich aus Charlottes Augenwinkel und kullerte im Zeitlupentempo über ihre Wange. Am liebsten hätte ich meine Freundin ganz, ganz fest an mich gedrückt und ihr versichert, dass auch ich beim Duschen gelegentlich mal fünf gerade sein ließ. So wie letztes Jahr, als ein unterbelichteter Einzeller von den Stadtwerken mir einfach vierundzwanzig Stunden lang das Wasser abgestellt hatte. Weil er so dämlich gewesen war, ein Rohr anzubohren, hatte ich einen ganzen Tag lang im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen gesessen.
Aber irgendwie dämmerte mir, dass diese kleine Anekdote im Augenblick nicht dazu angetan war, meine Freundin aufzuheitern. Außerdem war die Sache mit dem Duschen vermutlich nur die Spitze des Eisberges. Deshalb beschränkte ich mich darauf, Charlotte einfach nur wortlos an mich zu ziehen und ihr tröstend über den Kopf zu streichen. Irgendwie fühlte sich das komisch an … Gut, ihre braune Wuschelmähne war tatsächlich ein bisschen fettig, aber es gab Schlimmeres. Mundgeruch oder Käsefüße beispielsweise.
»Meistens hält Ben mich so auf Trab, dass kaum Zeit bleibt, um in Ruhe auf die Toilette zu gehen. Und dann sind da noch die riesigen Wäscheberge und … und …«, Charlottes Körper wurde von unterdrückten Schluchzern geschüttelt, »… und der restliche Haushalt. Wenn Andreas von der Arbeit nach Hause kommt, hat er Hunger und möchte was essen. Und zwar nicht immer bloß Tiefkühlpizza. Irgendwie krieg ich das alles nicht auf die Kette. Obwohl ich abends fix und fertig bin, frage ich mich dann, was ich eigentlich den ganzen Tag getrieben habe.« Charlotte richtete sich abrupt auf, befreite sich aus meiner Umarmung und schnäuzte sich schluchzend die Nase. »Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Wo war ich noch gleich stehen geblieben?«
»Andreas duscht jeden Morgen«, soufflierte ich. In einem unbeobachteten Moment wischte ich meine Hand an den Hosenbeinen ab.
»Ach ja, richtig. Und danach steht er zehn Minuten vor dem geöffneten Kleiderschrank und überlegt, ob die Krawatte zum Hemd passt.«
»Mensch, sei doch froh, dass Andreas auf sein Äußeres achtet. Die meisten Frauen wären froh, wenn ihre Ehemänner etwas mehr aus sich machen würden.«
»Außerdem benutzt er ein neues Aftershave«, redete Charlotte sich, ohne auf meinen Kommentar einzugehen, immer weiter in Rage. »Obsession. Ausgerechnet Obsession. Da ist der Name wohl schon Programm.«
»Vielleicht täusche ich mich, aber hast du ihm nicht genau dieses Aftershave zu Weihnachten geschenkt?« Ich nippte an meiner Teetasse. Pfui Teufel, der Tee war mittlerweile kalt geworden. Angewidert schob ich die Tasse zur Seite. O. K., dann halt keine dicken Möpse.
»Sehr richtig. Und jetzt benutzt er mein Geschenk, um andere Weiber zu betören. Findest du das nicht auch gleich doppelt geschmacklos?«
»Ich glaub das einfach nicht. Jedem würde ich das zutrauen, aber nicht Andreas. Ihr seid schon so lange …«
»Genau das ist ja das Problem«, heulte
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