Aszendent Blödmann
wollte, war es langsam wirklich an der Zeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen. In diesem Punkt war ich mit Charlotte voll und ganz einer Meinung.
»Ich mag Conrad, das weißt du«, erklärte Charlotte. »Nicht nur als Boss, sondern auch als Mensch. Er ist wirklich ein feiner Kerl. Aber wenn du jetzt nicht aufpasst, vergeudest du deine besten Jahre«, machte meine Freundin mir Vorhaltungen. Die Leier kannte ich schon in- und auswendig! Außerdem hatte Charlotte leicht reden. Männer wie ihren Andreas fand man nun mal nicht an jeder Straßenecke. Ihre bessere Hälfte war nicht nur ein wunderbarer Ehemann, sondern darüber hinaus der liebevollste Vater, den man sich wünschen konnte.
»Frag Conrad endlich, ob er es ernst mit dir meint und wie es mit euch weitergehen soll«, drängte Charlotte. »Ehe du dich versiehst, bist du zu alt zum Kinderkriegen.«
»Ach, komm, jetzt übertreibst du aber.« Sie tat ja gerade so, als wäre meine Gebärmutter bereits kurz vorm Verschrumpeln! »Zweiunddreißig ist doch heutzutage kein Alter. Viele Frauen bekommen erst mit Ende dreißig oder sogar Anfang vierzig ihr erstes Kind. Ich höre jedenfalls noch keine biologische Uhr ticken.«
»Im Alter lässt eben auch das Hörvermögen nach«, konterte Charlotte trocken.
»Ja, ja, schon gut. Mittwoch«, versprach ich ihr, bevor sie mir noch mehr altersbedingte Verschleißerscheinungen unter die Nase reiben konnte, »Mittwochabend steht ein Theaterbesuch auf dem Programm, und anschließend wollen Conrad und ich gemütlich essen gehen. Dann können wir in aller Ruhe quatschen.«
»Gut.« Charlotte nickte besänftigt. »Lass die Gelegenheit aber bloß nicht ungenutzt verstreichen.«
Nachdem sie mir das Versprechen abgenommen hatte, die Angelegenheit, wie Charlotte es nannte, auch wirklich ganz sicher und bestimmt mit Conrad zu klären, wandten wir uns wieder Ben zu, der versonnen an seinem Daumen nuckelte. Nach der ausgiebigen Planscherei war der kleine Mann müde und ließ sich ausnahmsweise anstandslos in sein Bettchen verfrachten. Nachdem er eingeschlummert war, schlichen Charlotte und ich auf Zehenspitzen aus dem Kinderzimmer und steuerten in stillschweigendem Einvernehmen die gemütliche Sofaecke im Wohnzimmer an.
»Möchtest du etwas trinken?«, fragte Charlotte.
»Gerne.«
»Irgendwelche besonderen Wünsche? Wie wär’s mit einem schönen Glas Wein? Ich darf ja keinen Alkohol trinken, das ist das Blöde am Stillen, aber ich öffne gerne einen Rotwein für dich.«
»Mach dir nur keine Umstände.« Ich deutete auf die Thermoskanne, die in der Mitte des Couchtisches stand. »Gib mir einfach ’ne Tasse davon.«
»Bist du sicher?« Unschlüssig, ob sie meinen Wunsch erfüllen sollte, griff Charlotte zögernd nach der Kanne. »Magst du Anis? Und Kümmel? Das ist nämlich Stilltee.«
»Dann mal nichts wie her damit! Wenn ich davon auch solche Brüste bekomme wie du, trinke ich in Zukunft nichts anderes mehr.«
Charlotte beäugte aus der Vogelperspektive kritisch ihre Oberweite, und obwohl sie mit dem Ergebnis wirklich mehr als zufrieden sein konnte – etliche Frauen würden für solche Brüste morden oder zumindest eine schöne Stange Geld auf den Tisch eines Schönheitschirurgen legen –, stieß sie einen tiefen Seufzer aus. »Da hat man ein Mal im Leben solche Dinger, und im Bett herrscht trotzdem tote Hose.« Mit abwesendem Blick schüttete sie meine Tasse voll. Kurz bevor der Tee überschwappte, setzte sie abrupt die Kanne ab. »Ich glaube, Andreas geht fremd.«
Ich traute meinen Ohren kaum. Verflixt, was war denn heute bloß los?! »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Hör mal, Charly, mit so etwas scherzt man nicht.«
»Sehe ich so aus, als würde ich Witze machen?«
Nein, weiß Gott nicht. Diesen grimmigen Gesichtsausdruck kannte ich. Das letzte Mal, als meine Freundin das Kinn so weit vorgereckt hatte, als wollte sie jemanden damit aufspießen, war sie wie eine Furie auf zwei jugendliche Halbstarke losgegangen, die in der S-Bahn herumgepöbelt hatten. Die Burschen hatten nicht nur Charlottes Unmut, sondern auch die geballte Kraft ihrer Wickeltasche zu spüren bekommen. In Zukunft gingen sie bestimmt zu Fuß. Aber das war ja sowieso viel gesünder.
Ich hoffte für Andreas, dass ihm solch ein schmerzhafter Denkzettel erspart bleiben würde. »Ein Seitensprung? Du spinnst wohl. Jeder andere – aber doch nicht Andreas«, nahm ich ihn in Schutz.
Ohne ihr Kinn auch nur einen Millimeter wieder einzufahren,
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