Aszendent zauberhaft
muss wieder zur Arbeit«, sagte Phoebe erneut. »Ich bin sowieso schon zu spät dran.«
Mindy winkte mit schlanker Hand lässig ab. »Ruf an und melde dich krank. Nimm den Nachmittag frei. Wir haben uns sooo viel zu erzählen. Also – nun sag schon – was ist passiert? Ich konnte es ja kaum glauben, als ich von dem Trip in den Fernen Osten zurückkam und alle sagten, Ben sei einfach nicht aufgetaucht. Ach, Süße, du musst dir ja wie ein Volltrottel vorgekommen sein!«
Phoebe schluckte. Das war typisch Mindy – immer ultrasensibel. »Offen gesagt, ich möchte nicht darüber reden.«
»Reden hilft!« Mindy hob die große Sonnenbrille und klimperte Phoebe mit den langen Wimpern an. »Reinigt die Seele. Deshalb sollte nach einem traumatischen Erlebnis auch jeder zum Therapeuten. Warst du? Beim Therapeuten?«
»Nein.«
»Tja, solltest du aber. Du musst. Anderenfalls wirst du total verbittert werden und die Männer für immer hassen.«
»Ja, höchstwahrscheinlich. Hör mal, Mindy, ich habe jetzt wirklich keine Zeit zum Plaudern. Vielleicht später – wenn ich nächstes Mal herkomme …«
»Wie meinst du das? Heißt das, du wohnst nicht mehr hier? In aller Welt, warum denn nicht, Süße?«
Phoebe seufzte. »Aus allen möglichen Gründen. Und da ich so bald wie möglich hier ausziehe, werden wir uns nicht mehr oft sehen, sofern du nicht eine Weile vor Anker gehst und …«
»Ausziehen? Aus der Wohnung? Ganz woanders hin?« Mindy ließ die Sonnenbrille wieder herab und zog die Augenbrauen
zusammen. »Wirklich? Nun, das ist ja ein Zufall, denn ich ziehe auch aus. Dieses Wochenende genauer gesagt. Da wird dieses alte Haus ja ein trauriger und einsamer Ort werden. Wo ziehst du denn hin?«
»Zurück zu meinen Eltern nach Bagley-cum-Russet. Und du?«
»Nach Westlondon in ein Penthouse mit einem echt süßen Airbus-Piloten.«
Phoebe lächelte beinahe. »Da kann ich natürlich nicht mithalten, aber ich dachte, du und, ähm …«
Sie hielt inne. Wie in aller Welt hieß gleich noch mal Mindys Freund? War er der Lancaster auf dem Namensschild oder war sie das? Nein, Phoebe legte die Stirn in Falten, Mindys Familienname war Martin, oder nicht? Das hatte sie mitbekommen, als sie mal im Treppenhaus die gemeinsame Post sortiert hatte. Also hieß er wohl Irgendwas Lancaster. Wenn er nicht da war, hatte Mindy ihn immer mit erotischem Gurren in der Stimme als ihren Loverboy bezeichnet, aber irgendwie hatte Phoebe das Gefühl, dass sie ihn ja wohl schlecht so nennen könnte.
Phoebe hatte ihn immer nur kurz im Treppenhaus oder beim Ein- und Aussteigen aus seinem Auto gesehen, und hatte ein schemenhaftes Bild von einem großen, dunkelhaarigen Mann in Uniform vor Augen, der winkte und Hallo rief, aber sie hatte ihn nie näher kennengelernt. Während Ben und sie in der Winchester Road gewohnt hatten, war er mehr unterwegs als zu Hause gewesen, und Phoebe hatte angenommen, dass er in seinem Job als Steward ebenfalls in der ganzen Welt herumgondelte.
Dann aber, bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er und Mindy gleichzeitig zu Hause waren, hatten Phoebe und Ben mit schuldbewusstem Vergnügen den regelmäßigen lautstarken
Auseinandersetzungen samt Türenknallen und Füßestampfen gelauscht, die aus der oberen Wohnung zu hören waren. Damals, so fiel Phoebe jetzt ein, hatte sie hochmütig gedacht, Kräche und Trennungen würde es zwischen ihr und Ben in ihrer felsenfesten Beziehung niemals geben. Wie blind und selbstgefällig sie doch gewesen war …
»Rocky?«, fiel Mindy hilfreich ein. »Der göttliche Rocky Lancaster? Der atemberaubende Rocky Lancaster?«
Rocky – so hieß er. Phoebe nickte. Sie erinnerte sich, dass sie den Namen seltsam gefunden und angenommen hatte, dass die Eltern des armen Kerls wohl Silvester-Stallone-Fans waren oder so etwas. Aber – Rocky Lancaster … Den Namen hatte sie doch noch irgendwo anders gehört? In einem ganz anderen Zusammenhang? Nicht vor Kurzem, sondern …
Mindy zog ein finsteres Gesicht. »Seinen letzten Atemzug soll er tun, und zwar am besten möglichst bald. Der Mistkerl. Alle fanden ihn wunderbar, aber – ach, Süße, wenn du die Wahrheit wüsstest. Du hast ja doch sicher von der Sache gehört? Ich habe mich in Grund und Boden geschämt. Ach ja, das ist jetzt alles Vergangenheit, wie bei Ben und dir. Ich habe schließlich einen gewissen Stolz und einen starken Selbsterhaltungstrieb – und so kam es für mich überhaupt nicht in Frage, hier bei ihm zu bleiben, nach allem, was er
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