@ E.R.O.S.
harten Ruck schiebe ich die Metallverkleidung wieder auf das Gerät. »Hast du eine Demo dafür?«
Miles schüttelt den Kopf. »Ruf eine Datei auf. Eine EROS-Datei. Diese Karten arbeiten nur im EROS-Format vernünftig.«
Ich beuge mich über seine Schulter, klicke die Maus und rufe die oberste Datei in meinem elektronischen Aktenschrank auf. Auf dem Bildschirm erscheint der Text eines typischen Gesprächs zwischen mir und Eleanor Rigby. Miles drückt ALT-V – eine Tastenkombination, die ein Makro aufruft, das gleichzeitig mehrere Funktionen ausführt –, und in der unteren linken Ecke des Bildschirms erscheint ein Fenster.
MÄNNLICH
WEIBLICH
STIMME EINS:
Hz
STIMME ZWEI:
Hz
Mit der Maus klickt Miles das erste HARPER>-Anforderungszeichen an, zieht die Maus dann zu STIMME EINS hinüber und klickt erneut. Dann wählt er eine Frequenz in der männlichen Bandbreite aus. Bei ELEANOR RIGBY> geht er genauso vor, wählt aber eine Frequenz im weiblichen Spektrum aus. Unter dem Display des Frequenzspektrums befinden sich mehrere Knöpfe, die denen an einem Kassettenrecorder ähneln. Miles wählt mit der Maus den PLAY-Schalter aus.
»Heute abend bist du dran« , sagt eine Stimme, die sich kaum von meiner unterscheidet, aber ohne den geringsten Akzent spricht. Sie kommt aus den Multimedia-Lautsprechern meines Computers, klingt aber so natürlich, als stamme sie von einer dritten Person im Raum. Ich drücke ungläubig Miles’ Schulter. Er lacht nur.
»Ich bin bereit« , antwortet eine weibliche Stimme, deren Timbre nicht gerade sinnlich, aber eindeutig feminin ist. »Wir stehen nackt auf einem kühlen schwarzen Stein, einemvulkanischen Felsen, und schauen auf die gewaltige Ausdehnung eines urzeitlichen Ozeans hinaus. Die orangene Explosion eines Sonnenuntergangs brennt unter einem purpurnen Horizont aus und läßt uns gestrandet unter den weißen Lichtern der Sterne zurück. Unser Blut pulsiert in siderischer Zeit, während unsere Augen sich weiten, um sich an die gerade dunkel gewordene Welt anzupassen, die Pupillen sich ausdehnen, um nicht voll genutzte Rezeptoren zu enthüllen, bis schon das bloße Leuchten unserer Haut die Nervenwege massiert, die zu unserem Gehirn führen. Die erste Berührung ist gar keine und trotzdem so real wie jede Sprache in dieser ...«
»Unglaublich«, sage ich über den hypnotischen Lobgesang hinweg. »Werden alle Abonnenten die Karte bekommen?«
»Das wird noch eine Weile dauern.« Miles kichert mit der Zuneigung eines stolzen Vaters. »Dieser Teil des Pakets ist gar nicht so kompliziert oder kostspielig. Die andere Hälfte macht die Sache unerreichbar.«
»Was? Video?«
»Nein, eine vernünftige Spracherkennung. Die ist viel komplizierter als eine Echtzeit-Bildverbindung. Was du eigentlich wissen solltest, da du ja seit sechs Monaten Video über eine Satellitenverbindung hast.«
»Die ich kaum jemals benutze.«
»Jan Krislov dankt es dir. Es ist einfach zu verdammt teuer.«
Er erhebt sich vom Stuhl und reicht mir einen schwarzen Kopfhörerset aus Plastik, wie ihn Telegrafistinnen und Empfangsdamen tragen. »Wir müssen es wohl in der Praxis erproben. Der Kopfhörer tut’s nicht. Ich habe das falsche Modell eingepackt, als ich aus dem Büro abhaute. Das Mikro funktioniert aber.«
»Ich kann einfach hineinsprechen?«
»Sekunde mal!« Er klickt mit der Maus auf RECORD/ CHAT , und die Harper-Eleanor-Rigby-Datei verschwindet.
»Alles klar. Jetzt kommt es darauf an, ob das Programmdeine Stimme erkennt. Wenn nicht, kannst du dieses Ding vergessen, bis wir ihm deine Stimme beigebracht haben.«
»Und wie willst du ihm meine Stimme beibringen?«
»Indem du ihm viele lange und langweilige Textabschnitte vorliest, du Dreikäsehoch. Ich habe das Programm so tolerant modifiziert, wie es mir möglich war. Von sechs EROS-Technikern akzeptiert es vier als meine Wenigkeit.«
Ich setze mich vor den Computer und sage ziemlich zögernd: »Hallo?«
Auf dem Bildschirm erscheint:
MILES>
Hallo.
»Das gibt’s doch nicht!«
»›Hallo‹ ist einfach«, sagt Miles. »Der Text erscheint als ›Miles‹, weil ich mich als Miles eingeloggt habe. Das Programm führt den Bildschirmnamen auf, den du gerade benutzt. Versuche es mal mit einem Satz.«
»Na schön.« Ich spreche so deutlich, wie ich nur kann. »Jetzt ist es für alle aufrechten Männer an der Zeit, für ihr Land einzutreten.«
Auf dem Bildschirm sehen wir:
MILES>
Na schön. Jetzt ist es vier alle aufrechten Männer
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