@ E.R.O.S.

motiviert. Aber die sexuelle Komponente könnte hier unterdrückt sein. Das Entfernen der Zirbeldrüse beschwört Bilder archaischer Kulte oder verrückter Wissenschaftler herauf, aber letztlich wird sich das alles in irgendeine Variante althergebrachter Lust auflösen. Mr. Strobekker ist das, war wir in der schlechten alten Zeit einen Lustmörder genannt haben, Cole. Ein Sexmörder.«
    Als er fortfährt, vermittelt seine Stimme eine verblüffende Gewißheit. »Ich bin der einzige, der ihn aufhalten kann, Cole.« Er schaut zu mir herüber, als wolle er mich beruhigen. »Nein, ich habe nicht den Kopf verloren. Mein ganzes Leben lang bin ich für diesen Moment ausgebildet worden. Sie hätten die Profile sehen sollen, die die jüngeren Männer der Einheit eingereicht haben. Einige kamen ihm nicht mal nah. Strobekkerhat sie alle an der Nase herumgeführt. Warum? Weil er eine neue Spezies ist, Cole. Sie haben keine kleinen Spickzettel, die zu ihm passen.«
    »Und Sie haben welche?«
    »Ich brauche keine.« Lenz tippt mit den Fingern aufgeregt auf das Lenkrad. »Ich habe die Bücher geschrieben. Die Polizei wird Strobekker nicht aufhalten, weil er keinen konventionellen Fehler machen wird. Er ist kein traumatisierter menschlicher Roboter, der aus dem Bodensatz der Gesellschaft kompostiert wurde. Er hat ein Gehirn. Und er benutzt es.« Lenz verstummt, offensichtlich in Gedanken versunken. »Diesmal«, sagt er fast zu sich selbst, »werde ich etwas tun, was in dieser Abteilung noch niemand getan hat. Was noch kein Psychiater je getan hat. Ich werde diesen Mörder selbst fassen.«
    Überrascht von den Gefühlen, die er in diesen Fall investiert hat, halte ich den Blick weiterhin von ihm abgewandt. »Sie meinen, falls das Sondereinsatzkommando ihn nicht in« – ich werfe einen Blick auf meine Uhr – »einer Stunde erwischt.«
    »Natürlich«, sagt er und schaut mich an. »Ich habe so gesprochen, als handelte es sich um einen Einzeltäter, aber alles deutet darauf hin, daß es mehrere sind. Und gerade das macht Dallas zu einer so interessanten Entwicklung. Denken Sie darüber nach. Wer befindet sich in dieser Wohnung?«
    »Ich kapiere einfach nicht, was Sie von mir wollen.«
    »Sie werden es schon noch begreifen. Ich bin überzeugt, daß ich Strobekker eine Falle stellen kann.«
    »Wie?«
    »Indem ich eine fiktive Frau erschaffe und dann auf EROS zu dieser Frau werde. Um ganz ehrlich zu sein, ich bin fast mit ihr fertig.«
    Ich versuche, Lenz’ Worte zu verdauen, aber die Implikationen sind zu kompliziert, um sie sofort aufzunehmen.
    »Sie paßt ganz genau in das neue Opferprofil«, fügt er hinzu.
    »Ein neues Profil? Sie wollen sie nicht wie die jüngeren Opfer, sondern wie Karin Wheat erscheinen lassen?«
    »Ja. Es ist äußerst selten, daß ein Mörder ein so deutliches Muster etabliert und dann bricht. Wäre die Wheat lediglich ein zufälliges Opfer gewesen, würde ich sie aus der Gruppe ausschließen. Aber das war sie bestimmt nicht. Karin Wheat stellt ein neues Paradigma dar.«
    »Und meine Aufgabe?«
    »Sie sollen mir den Einstieg in die EROS-Gemeinschaft erleichtern.«
    »Sie wissen nicht, worauf Sie sich einlassen, Doktor. Gott allein weiß, auf welche Datenbanken dieser Typ zurückgreifen kann, um Leute zu überprüfen, die sich ihm online nähern.«
    Lenz kichert. »Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Daniels Leute sind sehr gut, wenn es um solche Unterlagen geht. Bereits in diesem Augenblick erwacht meine persönliche Eliza Doolittle zu offiziellem Leben. Sozialversicherungsnummer, Führerschein, Wählerregistrierung, Kreditkarten, Schufaauskunft, ein Haus und ein Auto. In ein paar Stunden wird sie so real wie Ihre Frau sein.«
    »Und wie heißt diese fiktive Frau?«
    »Anne Bridges. Aber das spielt keine Rolle. Es kommt auf das Pseudonym an, nicht wahr?«
    Er hat recht. »Wie lautet das Pseudonym?«
    »Etwas Ursprüngliches«, sagt Lenz. Offensichtlich ist er sehr zufrieden mit sich. »Archetypisch. Biblisch.«
    »Verdammt noch mal, rücken Sie schon raus damit.«
    »Auf einmal sind Sie interessiert? Keine Angst, Sie werden es früh genug erfahren. Falls Sie kooperieren.«
    Das Pseudonym ist mir völlig gleichgültig, aber ich will wissen, wer in dieser Wohnung in Dallas ist. Schließlich habe ich als erster Strobekkers tödlichen Streifzug durch das digitale Universum entdeckt. »Aber Sie haben nicht die geringste Ahnung, wie EROS wirklich funktioniert«, stelle ich klar. »Es gibt alle möglichen