@ E.R.O.S.
Illusion.«
»Was war mit einem billigen Darlehen?« fragte Lenz. »Einer Hypothek auf das Haus?«
»Keine Chance. Als Sicherheit hätte er nur die Farm oder das Haus darauf anbieten können, und beides befand sich seit Generationen im Besitz der Familie meiner Mutter. Sie hatte keine Brüder, also war ihre Generation die erste, in der keine Grants das Land bebauten. Sie hatten es verpachtet. Auf jeden Fall war Dad der Ansicht, er habe dieses Kreuz allein zu tragen. Er arbeitete einfach immer mehr.
In meinem ersten Jahr am College spitzte die Lage sich dann zu. Die Leute, denen wir die Farm verpachtet hatten, hatten zwei Jahre hintereinander schlechte Ernten eingebracht. Dads Einkommen wurde immer schmaler. Und als er schließlich zur Bank ging und um sein jährliches Steuerdarlehen bat, lehnten sie ab. Sie hatten nie zuvor eine Sicherheit verlangt, weil sie wußten, daß er die Summe aufbringen konnte. Aber diesmal taten sie es. Er war wie vor den Kopf geschlagen. Er ging zu einer anderen Bank und bekam die gleiche Antwort. Nach einer Weile kam er dahinter. Jetzt zahlte man ihm die Sache von 1964 heim.«
Lenz schüttelt den Kopf.
»Den Rest können Sie sich denken. Dad mußte die Farm als Sicherheit stellen. Carter war Präsident; die Zinsen lagen bei zwanzig Prozent. Als Dad meiner Mutter schließlich beichtete, wie die Dinge standen, unterschrieb sie sofort die Papiere. Aber es hat sie fast umgebracht. Ihr Vater hatte von Krediten nie etwas gehalten, und sie auch nicht. Sie hatte nie welche aufgenommen. Dad arbeitete in diesem Jahr mehr denn je zuvor in seinem Leben. Er war damals fast fünfzig und arbeitete hundert Stunden in der Woche. Zweiundsiebzig-Stunden-Schichten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser der Nachbarstädte. Nach sieben Monaten bekam er einen Herzanfall. Er hat überlebt, aber es kam kein Geld mehr rein. Die Leute, denen wir das Land verpachtet hatten, hatten ihr drittes schlechtes Jahr, und wir verloren die Farm.«
»Die ganze Farm?«
»Es gelang uns, das Haus zu behalten, in dem jetzt meine Frau und ich wohnen. Alles andere übernahm die Bank. Sie führte eine Zwangsversteigerung durch, aber irgendwie gelang es dem Bankdirektor, das Land selbst zu erwerben, und zwar für die Hälfte seines Werts. Er war ein eingebildetes reaktionäres Arschloch namens Crump. Er hat es genossen , sich das Land unter den Nagel zu reißen. Damals war er so um die fünfundsechzig.«
»Wie ist Ihre Mutter damit fertig geworden?«
Die Erinnerung an meine Mutter in diesen Jahren würde ich lieber vergessen. »Sie wurde zu einem Schatten«, sage ich.
»Wie bitte?«
»Zu einem Schatten ihrer selbst.«
Lenz nickt stumm.
»Sie können sich also vorstellen, was passierte, als ich vier Jahre später mit meinem Abschluß in Finanzwissenschaft vom College nach Hause kam und erklärte, ich wolle als Gitarrenspieler durch das Land ziehen. Sie waren nicht gerade begeistert.«
»Aber Sie haben es trotzdem getan.«
»Nicht sofort. Ein paar Wochen lang schlich ich nur trübselig herum. Dann drehte ich durch. Ich erkannte, daß ihr ganzes Weltbild von Arschlöchern wie Crump verbogen und niedergetrampelt worden war. Und noch schlimmer, daß das auch mein ganzes Leben beeinträchtigen würde, falls ich es zuließ.«
»Haben Sie Crump zur Rede gestellt?«
»Was hätte das denn gebracht? Ich hatte keinen Hebel, keine Macht. Ich packte meine Kleidung, die Lehrbücher und meine gesamten Ersparnisse – fünf Riesen – zusammen und fuhr mit dem Zug nach Chicago. Einer meiner Professoren verschaffte mir einen Job bei einer Firma, die an der Börse tätig war. Nachdem ich eine Woche lang für die Firma gemakelt hatte, fing ich an, mit meinem Geld zu makeln. Und ich war furchtlos . Ich kann es nicht erklären. Ich makelte, wie ich Musik spielte, rein instinktmäßig. Mit dem Rücken an der Wand. Manchmal setzte ich alles auf einen einzigen Deal. Wenn ich das jetzt täte, würde mich der Schlag treffen. Ich gehe nach einem System vor – decke jede nur vorstellbare Entwicklung ab, bevor ich einen Zug mache. Aber damals trieb die Wut mich. Mein Zorn vereinnahmte irgendwie alles, was ich je gelernt hatte. Ich war wie Mr. Spock, der von einem Captain Kirk besessen war, der die Schnauze voll hatte: ein verdammter Superman.«
Mein Puls rast, wenn ich mich nur an diese Sturm-und-Drang-Zeit erinnere.
»Der Markt war damals auch anders. Besonders der S&P-Index. Man konnte die Sache damals unglaublich auf die Spitze treiben. Es
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