@ E.R.O.S.
liegt. Da mein Dad war, der er nun mal war, lud er ein paar davon ein ...«
»Verzeihung? ›Der er nun mal war‹?«
»Er stammt nicht aus Mississippi. Er kommt aus Louisiana, aus der Gegend unterhalb der hartgesottenen Baptistengemeinden. Er wurde streng, aber nicht chauvinistisch erzogen, wenn Sie wissen, was ich meine. Er war Arzt, kam aber aus der Arbeiterklasse. Hat in seiner Jugend mit Schwarzen zusammengearbeitet.«
»Fahren Sie fort.«
»Auf jeden Fall paßte es den örtlichen Untieren, dem Klan oder wem auch immer, nicht, daß mein Dad diese Leute bei sich aufnahm. Sie haben ihn gewarnt, aber Dad schenkte ihnen keine Beachtung. Dann wurde dieser Farbige vor einer Kirche bei Itta Bena umgebracht. Sie haben ihn in seinem Auto in die Luft gejagt. Er war ein Patient meines Vaters und hatte in Korea gedient. Dad hielt sehr viel von Leuten, die ihrem Land im Krieg gedient haben. Wie alle anderen drückte er auch schon mal ein Auge zu, wenn der Klan und die Bürgerwehr damals zuschlugen. Aber der Mord an diesem schwarzen Veteranen ging ihm gegen den Strich. Er setzte sich hin und schrieb einen Artikel, der einer Klapperschlangedie Haut versengt hätte. Er nannte die Dinge beim Namen, und er nannte Namen. Er schickte den Artikel an die Zeitung von Greenville, eine liberale Zeitung, die Hodding Carter gehörte, die Zeitung druckte ihn, und siehe da, die Kacke war am Dampfen.«
Lenz lächelt im Dunkeln. »Kann ich mir vorstellen.«
»Meine Mutter saß nur noch im Haus und wartete darauf, daß man eine Brandbombe durchs Fenster warf. Aber dazu kam es nicht. Dad hatte seine Vorwürfe so offen geäußert, daß der Klan Angst hatte, so kurz nach der Veröffentlichung etwas zu unternehmen. Der Umstand, daß meine Mutter aus einer alten Delta-Familie stammte, half ebenfalls. Die Grants waren zwar keine wohlhabende Familie, wohnten aber schon länger als alle anderen im Delta, die Indianer mal ausgenommen. Ein paar weiße Patienten gingen nicht mehr zu meinem Vater, aber Schwarze rückten genauso schnell nach, das spielte also keine große Rolle. Nach einem Jahr war alles vergessen. Zumindest galt das für meine Familie.«
»Aber nicht für den Klan.«
»Ich würde nicht unbedingt Klan dazu sagen. Den Klan gibt es in Mississippi gar nicht mehr. Zumindest hat er keine Bedeutung mehr. Er besteht nur noch aus einem Haufen verbitterter alter Trunkenbolde. Auf jeden Fall verstrich ziemlich viel Zeit. Und während dieser Zeit kam eine andere Facette des Charakters meines Dads zum Vorschein, auch wenn wir nichts davon wußten.«
Ich frage mich, wie weit wir noch von Quantico entfernt sind, wage es aber nicht, den Erzählfluß zu unterbrechen. »Mein Dad war ein Arzt der alten Schule. Ihn interessierte es nur, die Krankheiten der Leute zu behandeln. An Geld hat er nie gedacht. In manchen Jahren hat er nicht mal die Hälfte von dem eingenommen, was ihm eigentlich zustand. Und er akzeptierte einfach alles als Bezahlung: Grüne Bohnen, Welse, Pfirsiche, Rehbraten, Grünkohl, einfach alles. Noch 1987 hat er Hausbesuche gemacht.«
Lenz lehnt den Kopf zurück und schaltet die Scheinwerfer des Mercedes ein. »Eine aussterbende Art«, sagt er leise.
»Eine tote. Und das County ist deshalb wesentlich schlechter dran. Auf jeden Fall bestand seine gesamte finanzielle Strategie aus der Auffassung, wenn ein Arzt in Amerika schwer arbeitet, wird er genug Geld verdienen, um seine Familie durchzubringen und seinen Whisky und die Zigarren bezahlen zu können, und: Der Nächste bitte. Verstehen Sie?«
»Eine weit verbreitete Schwäche bei Ärzten seiner Generation.«
»Ach ja? Nun, es hat nicht lange gedauert, bis diese Schwäche ihm ernste Schwierigkeiten einbrachte. Schon 1968 hing er mit seiner Einkommenssteuer ein Jahr hinterher. Das heißt, in jedem April – jedes Jahr – mußte er zur Bank gehen und sich die volle Steuersumme leihen, um das Finanzamt zufriedenstellen zu können. Manchmal waren das sechzig- oder siebzigtausend Dollar, ganz gleich, wie hoch die Zinsen gerade waren. Und nachdem er den Kredit abbezahlt hatte, hing er noch immer ein Jahr zurück. Das hat er zwanzig Jahre lang so gemacht.«
»Großer Gott.«
»Können Sie sich den Druck vorstellen? Aber er hat keiner Menschenseele etwas davon gesagt. Es war ein Geheimnis zwischen ihm und dem Bankdirektor, der von diesem Arrangement natürlich begeistert war. Es floß genug Geld, daß wir nie knapp bei Kasse waren, aber das alles war natürlich nur eine
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