Atemlos
Schreiber jener Zeilen, zweifellos als Journalist sehr begabt, hatte mit einer stilistisch hochgeschliffenen Axt miese Rundumschläge gegen den Ruf eines Mannes ausgeteilt, der sich – lebendig oder tot – nicht wehren konnte. Das troff nur so vom Neid des Spießers, der sich daran aufgeilt, Männer, die etwas geleistet haben, durch die Jauche zu ziehen. Daß Paul Billson daraufhin der Kragen geplatzt war, wunderte mich nun nicht mehr so sehr.
Der Artikel schloß mit einer Spekulation. Nach einem Hinweis auf den verlorenen Prozeß der Versicherung – lediglich aufgrund des Verfahrensfehlers – ging es folgendermaßen weiter:
»Vieles spricht dafür, daß Billson seinen Absturz überlebt hat – sofern sich überhaupt ein Absturz ereignete –, und daß Henrik van Niekirk ihm tatsächlich in Durban begegnet ist. Wenn aber das der Fall ist – und dieser Meinung bin ich –, dann haben wir es hier mit einem großangelegten Versicherungsschwindel zu tun. Hunderttausend Pfund stellen auch hier und heute noch eine beträchtliche Summe dar. Die hunderttausend Pfund des Jahres 1936 entsprechen rund einer halben Million in unserer abgewerteten Währung.
Wenn Peter Billson lebt, feiert er heute seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag und kann genüßlich auf ein Leben in Luxus zurückblicken. Reiche Männer leben lang, und ich halte jede Wette, daß er noch am Leben ist. Vielleicht liest er diesen Bericht. Vielleicht bezeichnet er ihn als verleumderisch. Dieses Risiko nehme ich gern auf mich.
Luftikus Peter Billson – komm doch mal wieder auf die Erde zurück …!«
Ich führte mir eben den Schlußsatz dieser Etüde in Unverfrorenheit zu Gemüte, als Charlie Malleson zu mir ins Büro kam. Er sagte: »Ich hab' mal eine provisorische Hochrechnung für den zu erwartenden Umsatzverlust als Folge der Wensley-Kündigung angestellt.« Er lächelte säuerlich. »Wir werden es überleben.«
»Dieser Brinton«, sagte ich und kippte mit meinem Stuhl nach hinten. »Da besitzt er nun fünfundzwanzig Prozent unserer Anteile und verschafft uns ein Drittel unserer Umsätze. Ich wüßte gern mal, ob es uns sehr weh tut, wenn er ganz aussteigt.« Ich machte eine Pause, dann stieß ich nach: »Oder wenn wir ihn kippen.«
Charlie verfiel augenblicklich in Panik. »Ach, du lieber Gott! Das wäre ja wie eine Beinamputation. Ohne Narkose.«
»So was kommt vor.«
»Aber wie kommst du dazu … Warum sich von ihm lösen? Seinem Geld verdanken wir den Durchbruch!«
»Weiß ich«, sagte ich. »Aber Brinton ist ein Finanzhai. Nach Profit zu schnappen, ist für ihn ein ebenso gedankenloser Reflex, wie für einen echten Hai der Frühstückshappen. Ich fürchte sehr, mein lieber Charlie, wir sind arg in Gefahr.«
»Ich weiß gar nicht, warum du plötzlich so kribbelig wirst!« jammerte er.
»Weißt du es wirklich nicht?« Ich beugte mich vor, die Stuhlbeine landeten mit einem weichen Laut wieder auf dem dicken Teppich. »Gestern abend, in einem Gespräch von kaum vier Minuten, sind fünfzehn Prozent von Brintons Umsatz den Bach runtergegangen. Und warum? Damit er Andrew McGovern in den Schwitzkasten nehmen kann, der offensichtlich aus der Reihe tanzt. Jedenfalls tut Brinton so.«
»Glaubst du ihm etwa nicht?«
»Ob er uns reinen Wein einschenkt oder nicht, ist doch wurscht. Zur Debatte steht folgendes: Brinton haut unseren Laden für irgendwelche Privatinteressen, mit denen wir nichts am Hut haben, rücksichtslos in die Pfanne.«
Charlie sprach langsam: »Ja, ja. Ich sehe, was du meinst.«
Ich faßte Charlie voll ins Auge: »Nichts verstehst du. Aber überleg mal genau, was da gestern über die Bühne gegangen ist. Unser stiller Teilhaber hat uns schlicht und ergreifend um den Finger gewickelt.«
»Mein Gott, Max! Wenn McGovern uns nicht mehr will, können wir doch einfach nichts dagegen machen.«
»Weiß ich, aber wir hätten trotzdem festhalten sollen, worauf wir, mir nichts, dir nichts, verzichtet haben. Wir hätten auf unserem Vertrag mit der Wensley-Gruppe bestehen können, und der hat ja immerhin noch ein Jahr Laufzeit. Statt dessen erklären wir uns bereit, binnen zehn Tagen still vom Fenster wegzutreten. Brinton hat uns sauber darüber hinweg manövriert, falls dir das noch nicht aufgegangen ist. Der läßt uns ganz schön tanzen.«
Charlie schwieg.
Ich sagte: »Und weißt du, warum wir uns darauf eingelassen haben? Weil wir Schiß vor Brintons Geld haben. Wir hätten ihn überstimmen können, einzeln oder
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