Atemlose Begierde
Nacht mit ihr zu verbringen, aber ich war in einer haarsträubenden
Situation. Nicht nur, dass ich drauf und dran gewesen war, meinen Partner zu
betrügen, nein, jetzt auch noch meinen Liebhaber. Ich entzog mich und sagte mit
einem Frosch im Hals: »Danke, Nadège«, packte meine Tasche, ging zur Tür und
verließ in einem Anflug von Raserei ihr Zimmer.
»Bedank dich nicht, ich hab noch nichts getan, und wenn, dann nicht
für dich!«, rief sie mir hinterher.
Ich hatte das »Danke« eigentlich dafür gemeint, dass sie mir ihre
Bilder gezeigt hatte, und überlegte noch mal. Oben angekommen, schien die
Gesellschaft noch genau die gleiche, aber diesmal beim Tanz mit sehr gedämpftem
Licht und flotter Klaviermusik. Mist, wie sehr ich die Zeit aus den Augen
verloren hatte. Ich suchte den Raum nach Rick ab. Er war nirgends zu finden.
Mein Herz raste. Große Mühe hatte ich, mich davon zu überzeugen, dass es mir
nicht peinlich war, was ich mir gerade erlaubt hatte. Ich schickte Stoßgebete
nach oben, dafür, dass der winzige Lichtkegel im Garten nicht mit Rick in
Verbindung stand. Schleunigst wollte ich gehen. Da kam Nadège herein und ging
erhobenen Hauptes an mir vorbei. Sie zündete sich eine Zigarette an und verzog
sich auf ein blaues Kanapee. Roland war meine Anlaufstelle, um herauszufinden,
wo Rick steckte. Sehr höflich und ausführlich erklärte er mir, dass er ihn eben
noch gesehen hatte, nichts Genaueres wusste, außer dass er gern mal irgendwo im
Haus verschwand. Er zwinkerte, als verbände uns dabei ein gemeinsames Wissen.
Roland flirtete die ganze Zeit über mit mir, neigte seinen Kopf zur Seite, fuhr
sich durchs melierte Haar und ließ seinen ganzen Charme spielen. Nadège hatte
mich so aufgekratzt, dass sogar seine Avancen mir zu gefallen begannen. An
diesem Abend war ich meiner Triebhaftigkeit scheinbar völlig ausgeliefert, bat
ihn aber letztlich, ein Taxi für mich zu bestellen. Dann ging ich zu Nadège, um
mich zu verabschieden, setzte mich zu ihr.
»Tut mir leid, dass ich davongerannt bin. Ich mach das nicht alle
Tage.«
»Solltest du aber«, sie zwinkerte.
»Was hast du damit gemeint, dass du es nicht für mich getan hast?«,
fragte ich sie.
Ein Zug von Verachtung lag nun in ihrem festen, forschen Blick. Sie
machte sich nicht die Mühe zu antworten. Ich kramte in meiner Tasche, schrieb
ihr meine E-Mail-Adresse auf und streckte ihr den Zettel hin. »Wenn du willst,
melde dich. Ich würde dich gern wiedersehen, und außerdem stehe ich noch in
deiner Schuld«, sagte ich mit lockerer, fast heiterer Stimme, war aber unfähig,
meine innere Unruhe zu überspielen. Ich rückte näher an sie.
»Für wen hast du’s dann getan?«, versuchte ich es noch mal.
Wieder sagte sie nichts, sah mich aber an wie ein verwundetes Reh.
Ich hätte sie gerne geküsst, so zart und liebenswürdig, wie sie jetzt war. Durch
die weite Eingangstür erschien er nun. Mit großen Schritten kam er direkt auf
uns zu. Rick. Mein Herz begann wieder heftig zu pochen. Nadège sah ihn giftig
an. Sein Ausdruck war leer, und er fragte: »Möchtest du noch bleiben?«
»Wir können gehen. Ich hab schon ein Taxi bestellt«, sagte ich.
Nadège griff nach meiner Hand und flüsterte mir ins Ohr: »Du bist
die, die Parameter der Interaktionen determiniert, ihre Gesetzmäßigkeiten kannst
du nicht beeinflussen, aber ihre Tragweite.«
»Wie bitte?«, fragte ich noch mal nach.
»Lass dich nicht ficken von ihm, er verdient es nicht. Er ist ein
Arschloch«, und Letzteres sagte sie so laut, dass auch er es hören konnte.
Ich stand auf, schickte ihr eine Kusshand und Rick zwinkerte ihr zu.
Wir machten uns auf den Weg, uns von Roland und den anderen zu
verabschieden.
»Wie spät ist es?«, fragte ich ihn.
»Vielleicht drei Uhr morgens«, sagte er sehr zurückhaltend, fast
abwesend.
Roland reichte mir nun die Hand und brachte zum Ausdruck, wie
wunderbar es war, mich hier gehabt zu haben.
Ich bedankte mich ebenfalls: »War schön bei Ihnen.«
Rick und er verabschiedeten sich nun förmlicher als bei der
Begrüßung.
Das Taxi wartete vor der Tür. Wir rasten Richtung Hotel. Es war nicht
einfach, ein ungezwungenes Gespräch zu beginnen, da ich mir nicht sicher war,
was er wusste oder gesehen hatte. Und wie es seine Art war, fragte er auch nicht
nach. Ich rückte einfach näher an ihn. Er sah mich zärtlich an und sagte:
»Schön, dass du hier bei mir bist.«
Er fuhr mir durchs Haar, zeichnete meine Konturen mit seinen Fingern
nach. Daran hing
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