Atemlose Begierde
sondern du.«
»Oh, denkst du, dass das wirklich so einfach ist?«
»Wenn nicht, erklär’s mir.«
Sie sah mich mit ihren frechen, schlauen Augen an. Ich ging zu einer
von den Türen und versuchte durch das den Raum reflektierende Glas zu blicken.
Es war nur schwach der orangefarbene Schein der Stadt über den Bäumen zu
erkennen und eine tiefe schwarze Weite. Und irgendwo war so was wie das kurze
Aufflackern einer Zigarettenglut zu sehen.
»Wohnst du schon immer hier?«, fragte ich sie.
Sie antwortete nicht auf meine Frage, stellte sich hinter mich und
schob mir meine Haare aus dem Nacken. Sie spielte an meinem Halsband.
»Trägst du’s gern?«
»Bisher stört es mich nicht.«
»Du trägst es also nicht aus Überzeugung?«
»Ich versteh eigentlich nicht, warum es so viel Aufmerksamkeit
erregt, es ist doch gar nicht so besonders auffällig, oder?«
»Hör mal, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, das Tragen so
eines Teils find ich äußerst erniedrigend. Oder bist du so verblendet, dass du
nicht begreifst, was das bedeutet?«
»Ähm … du bewertest seine Symbolkraft über, fürchte ich.« Ich
lachte.
»Ich nehm’s dir sowieso nicht ab, Jo«, sagte sie.
Ich fühlte, wie ihr Atem sich langsam auf meinem Hals ausbreitete.
Sie war ein wenig größer als ich, obwohl ihre Stiefel flach waren, aber genauso
schmal, deshalb konnte ich sie nicht in der Reflexion der Scheibe vor mir
wahrnehmen, als sie sich nach vorne beugte. Aber ich spürte ihre warme feuchte
Atemluft im Nacken immer eindringlicher. Sie war ganz nah.
»Hey«, sagte ich, »Nadège, ähm …« Ich drehte mich mit dem Kopf
zu ihr und sah in ihr geneigtes Gesicht, in die liebevoll funkelnden Augen.
Zwischen Junge und Mädchen changierte ihre Erscheinung, so verblüffend
feingliedrig und doch so unerbittlich fordernd war ihr Ausdruck.
»Wir müssen nicht diskutieren, Jo, lass es uns anders versuchen.«
Sie fuhr mit ihren kalten spitzen Fingerkuppen an der Innenseite
meines Blusenkragens entlang, umspielte immer wieder das Halsband, bis ich ihre
Lippen an meinem Hals spürte. Es war so überraschend und angenehm prickelnd,
dass ich sie gewähren ließ. Ich konnte diesen exotischen kleinen Reizen, die
mein leichter Champagnerrausch nur noch intensivierte, kaum widerstehen. Sie
züngelte am Ring der Kette, ich hörte nur das Geräusch wie ein zartes
metallisches Klingeln. Als sie vorne an meinem Dekolleté angekommen war, sagte
ich: »Nadège, das halte ich für keine gute …«
Sie unterbrach mich, indem sie ihren Zeigefinger quer über meine
Lippen schob. Ihre dunkelgrauen Augen bohrten sich demonstrativ aufreizend in
die meinen. Ihr Finger, auf dem mehrere zu Schlangen geformte Silberringe saßen,
duftete nach Tabak, aber auch so gut nach ihr selbst. Dabei tat sich ein völlig
neues Universum für mich auf. Ich sah ihr direkt ins Gesicht. Erst jetzt
bemerkte ich den reizenden leichten Haarflaum über ihrer aufgeworfenen
Oberlippe, wie unglaublich schräg ihre Augen standen und ihre ausgeprägten
Nasenflügel, die sie gerade wieder so sehr zu einem Jungen für mich machten,
dass ich es mit der Angst bekam. Sie funkelte mich glühend an, fast euphorisch.
Mein Herz begann heftig zu schlagen, als sie sich mit ihren Lippen meinem Mund
näherte und sie über ihren Finger stülpte, der noch immer auf meiner Lippe lag.
Dann glitt sie mit ihrer Zungenspitze über meine Oberlippe, schob dabei ihren
Finger immer tiefer in mich, schnupperte an meiner Haut und hauchte: »Jo, du
darfst mir unters T-Shirt fassen, wenn du möchtest.«
Ich musste schmunzeln bei diesem Angebot. Die Idee, sie tatsächlich
fühlen zu dürfen, sandte einen gehörigen Schauer über meinen Rücken. Ich sog an
ihrem Zeigefinger, den sie mir nun zart rein- und rausschob, rhythmisch, mit
spielerischer Leichtigkeit, so als würde sie mich ficken. Ich sog noch härter
daran, sie stieß fester zu. Ich erhöhte den Druck um ihren Finger, wollte sie
nicht mehr rauslassen.
»Du bläst sicher phantastisch, Jo, hm?«, raunte sie.
Blasen? Was würde mich tatsächlich in ihrem Höschen erwarten, fragte
ich mich jetzt, und es kribbelte unanständig dabei in meiner Möse.
Während ich ihr mit beiden Händen unters T-Shirt fuhr und sie die
geschwungene Ausbuchtung meiner Oberlippe liebkoste, war mir, als würde ich
hinter ihr durch die Tür im Schwarz der Nacht ein Gesicht wahrnehmen, aber es
war wohl nur mein eigenes Spiegelbild. Sie verharrte auf meiner Oberlippe und
rieb sie leicht
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